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Planspiel Europa-Parlament Planspiel Europa-Parlament: Schüler in Kostüm und Krawatte

Von stefanie greiner 26.06.2013, 20:52
Von Politikverdrossenheit keine Spur: Die Teilnehmer des Plan- und Rollenspiels Modell Europa-Parlament machen alle freiwillig mit.
Von Politikverdrossenheit keine Spur: Die Teilnehmer des Plan- und Rollenspiels Modell Europa-Parlament machen alle freiwillig mit. thomas meinicke Lizenz

halle/MZ - Eilig huscht Kai Krause durch die Tischreihen im großen Sitzungssaal des Stadthauses. Sein Schlips schlenkert nach links und rechts. Der 17-jährige Schüler des Landesgymnasiums „Latina“ muss sich beeilen. Denn die Plenardebatte sollte eigentlich schon vor zwei Minuten beginnen.

Interesse für Politik

Wo sonst der Stadtrat tagt, haben am Mittwoch rund 40 Schüler die Arbeit des Europäischen Parlamentes nachgespielt. „Natürlich interessieren sich nicht alle Schüler für Politik“, sagt Sozialkundelehrerin Anke Mittler. Das Modell Europa-Parlament sei aber ein Beispiel dafür, dass es genug Jugendliche gebe, die sich sehr wohl für die Politik begeistern lassen.

Bei dem Plan- und Rollenspiel schlüpften die Neunt- bis Elfklässler in die Rollen von Abgeordneten. Sie setzten sich bereits am Montag und Dienstag in Ausschüssen zusammen und entwickelten Lösungen für politische Probleme. Bei den Schülern der Latina waren das dieses Mal die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, das Zusammenspiel von Landwirtschaft und Umwelt sowie das Energiesparverhalten der Bürger.

Dann verstummt das Flüstern im Saal. Ihre Blicke zum Präsidium gerichtet, stehen die jungen Delegierten von ihren Stühlen auf. Sie haben sich alle richtig herausgeputzt: Die jungen Frauen tragen Blazer. Ihre Mitschüler haben sich ebenfalls mächtig in Schale geschmissen.

Obwohl es natürlich nur eine Simulation ist, nehmen die Gymnasiasten das Projekt sehr ernst. Dazu gehören auch die entsprechenden Umgangsformen. „Wir siezen uns“, sagt Lucie Telemann. Die 17-Jährige gehört zum Präsidium, das die Sitzung leitet. Dass es anfangs gewöhnungsbedürftig ist, Mitschüler mit „Sie“ anzusprechen, weiß Louis Philipp Lukas nur allzu gut. Vergangenes Jahr saß er selbst noch in einem der Ausschüsse und musste sich an die doch befremdliche Etikette gewöhnen. Zwölf Minuten sind mittlerweile vergangen. Eric Stefanek steht am Rednerpult und liest die Resolution seines Gremiums vor: „Der Ausschuss für soziale Angelegenheiten unterstützt die Einstellung arbeitsloser Jugendlicher durch Betriebe finanziell nach britischem Vorbild.“ Der 15-Jährige repräsentiert Portugal. Insgesamt sind zwölf Länder im Saal vertreten.

Scharfe Formulierungen

Schüler, die bereits vergangenes Jahr bei dem Projekt mitgemacht haben, griffen den Neulingen unter die Arme - sowohl inhaltlich als auch rhetorisch. „Die Schüler können nicht so sprechen wie im Alltag“, sagt Louis Philipp Lukas. Er ist überrascht, wie schnell die Delegierten ihre saloppe Jugendsprache gegen gestochen scharfe Formulierungen getauscht haben. So wie die 15-jährige Annika Fischbach. „Eines muss uns allen bewusst sein: Nur wenn wir gemeinsam das Problem der Jugendarbeitslosigkeit angehen, können wir den Herausforderungen der globalen Wirtschaft wirkungsvoll begegnen“, sagt sie.

Einige Schüler nicken zustimmend und machen sich Notizen. Wortgewandt und kritisch hinterfragen sie die einzelnen Punkte der Resolution. Am Ende stimmen 17 Delegierte für die Ideen des Ausschusses, 14 dagegen. Im wahren Leben würde die Resolution nun an das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und den Rat der Europäischen Union weitergeleitet werden. Anderthalb Stunden liegen nun schon hinter den Schülern. Zeit für eine Pause. Kai Krause steht auf und muss seinen Schlips mal wieder zurechtrücken.

Die Schüler diskutieren eifrig über die Ideen der Ausschüsse.
Die Schüler diskutieren eifrig über die Ideen der Ausschüsse.
Thomas Meinecke Lizenz