Pflanzenliebhaber Pflanzenliebhaber: Wohnung dient als Gewächshaus
Halle-Neustadt/MZ. - Wann die Regenzeiteinsetzt, bestimmt Gerhard Pötschke. Dieseansonsten übernatürliche Entscheidungsgewaltbeschränkt sich allerdings nur auf die Sukkulenten-Sammlungdes Halle-Neustädters. Mehrere hundert dieserzumeist stacheligen, dickfleischigen Pflanzensind in seiner Wohnung und dem umbauten Balkonin der Albert-Einstein-Straße zusammengekommen.Doch obwohl die quasi zum Gewächshaus umfunktionierteVierraum-Wohnung überschaubar ist, ist esnicht leicht, den Überblick zu bewahren.Das liegt vor allem daran, dass die Pflanzenzu unterschiedlichen Jahreszeiten bewässertwerden müssen. Gerhard Pötschke setzt abernicht willkürlich die Gießkanne an. Über vieleJahre hinweg hat er sich ein ungeheures Fachwissenangeeignet.
"Angefangen habe ich, als ich zehn Jahrealt war", erinnert sich Gerhard Pötschke."Ein Nachbar hatte ein Frühbeet mit Kakteen,so gab es den einen oder anderen Senker geschenkt",berichtet der 61-Jährige. "Und daraus wurdedie erste Sammlung." Die Sammlerleidenschaftsei aber schrittweise gekommen und von anderenInteressen hin und wieder in den Hintergrundgedrängt worden.
So kam Sammlung Nummer zwei erst zehn Jahrespäter durch seine Arbeit im Friedhofswesenzustande. "Immer, wenn ich Erika-Blumen fürdie Friedhofsbepflanzung einkaufen wollte,fiel mir in der Gärtnerei ein Kakteenbeetauf", erinnert sich der studierte Gartenbauingenieur.Von dort nahm Pötschke dann regelmäßig Kaktus-Exemplaremit.
Dass Kakteen in seiner Neubauwohnung in Neustadtschlecht gedeihen, weiß Pötschke inzwischen.Aus diesem Dilemma kam der Mann heraus, indemer sich von den aus Amerika stammenden Kakteenlossagte. Er wandte sich den weitaus geeigneterenSukkulenten (wasserspeichernde Pflanzen) zu,"die auch im Winter 20 Grad vertragen." Diesebilden das Gros seiner jetzigen Sammlung,Pötschkes nunmehr dritte.
Dass die exotischen Gewächse einen beträchtlichenTeil der Wohnung okkupieren, stört Pötschkenicht. Auch seine Frau, eine gelernte Landschaftsgärtnerin,hat sich längst mit den stacheligen Mitbewohnernarrangiert. Manchen Gewächsen hat sie mittlerweilesogar Spitznamen wie "Knüppel" gegeben, umdie lateinischen Fachbezeichnungen zu umgehen.
Dass es Gerhard Pötschke nicht um Masse geht,zeigt seine Spezialisierung auf eine besondereSukkulenten-Art - die in Südafrika beheimateteHaworthia. "Manche ihrer Vertreter sind zuweilennur bei einer einzigen Gärtnerei auf der Weltzu bekommen", sagt er und präsentiert einesdieser Seltenheiten, die Euphorbia handiensis.Sie sei das, was den Briefmarkensammlern dieMauritius ist.
Neben der einen oder anderen Rarität weistPötschkes Sukkulenten-Arsenal unauffälligeFormen auf genauso wie im wahrsten Sinne desWortes herausragende Gestalten. Zu letzterengehört der so genannte Cissus, eine Weinart,die mit ihrem segmentartigen Wuchs aussieht,als sei sie aus Lego-Steinen zusammengesetztworden.
Eine weitere Besonderheit sind die von denKanaren stammenden Äonien, die ausgesprochenschnell wachsen. Solch sprießende Pflanzenstellen aber eher die Ausnahme dar, so Pötschke.Und wenn man ihn in so ausgiebig und ruhigfachsimpeln hört, könnte man glauben, er hättesich diese Gelassenheit von seinen stacheligenZöglingen abgeschaut.