1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Pferdesport auf den Passendorfer Wiesen: Pferdesport auf den Passendorfer Wiesen: Herrenkrugwiesen in Magdeburg profitieren von Misere in Halle

Jetzt live

Pferdesport auf den Passendorfer Wiesen Pferdesport auf den Passendorfer Wiesen: Herrenkrugwiesen in Magdeburg profitieren von Misere in Halle

Von Julius Lukas 30.10.2015, 11:16
Vor zwei Jahren galoppierten das letzte Mal die Pferde über die Rennbahn in Halle. Seitdem fand kein weiterer Wettkampf statt.
Vor zwei Jahren galoppierten das letzte Mal die Pferde über die Rennbahn in Halle. Seitdem fand kein weiterer Wettkampf statt. Eckehard Schulz Lizenz

Halle (Saale) - Auf den ersten Blick sieht auf der Pferderennbahn in Halle alles aus wie immer. Trotzig steht da die Tribüne mit ihrem geschwungenem Dach. Über 100 Jahre ist sie alt, 800 Menschen finden auf ihr Platz. Der Blick geht auf die Bahn. 2 400 Meter lang, annähernd oval. Das Gras ist geschnitten, das Geläuf weich, aber nicht zu tief. Eigentlich, so scheint es, könnte hier, auf den Passendorfer Wiesen, schon morgen ein großer Renntag stattfinden. Eigentlich.

Die Galopprennbahn im Westen von Halle ist die einzige Rennbahn im Süden von Sachsen-Anhalt. Viele Jahre war sie eines der Zentren des Pferdesports in Ostdeutschland. Eine der traditionsreichen Bahnen, von denen es bundesweit nur noch knapp 20 gibt. Bekanntheit erlangten die Passendorfer Wiesen vor allem für einen Wettkampf: den Renntag am Reformationstag. Seit 1994 fand dieses Großereignis im Galoppkalender in Halle statt. Ein fester Termin für Trainer und Jockeys. Und auch ein gesellschaftliches Ereignis. Hier kamen unterschiedlichste Menschen zusammen - vom fast-bankrotten Zocker bis zur edlen Hutträgerin.

Der Renntag am Reformationstag findet in diesem Jahr erneut in Magdeburg statt. Auf dem Programm stehen am Sonnabend neun Läufe (Rennbeginn 11.30 Uhr). Höhepunkt wird das mit 37 000 Euro dotierte BBAG Auktionsrennen sein. Das hohe Preisgeld und der Umstand, dass am 31. Oktober deutschlandweit nur in Magdeburg gerannt wird, lockt die Elite des Galoppsports in die Landeshauptstadt. Von den zehn aktuell besten Jockeys in Deutschland werden sieben am Herrenkrug im Sattel sitzen. Bei den Trainern sind sechs aus den Top-10 vor Ort.

Auch Pferde von Angelika Glodde werden an den Start gehen. Die mit 763 Siegen erfolgreichste Rennreiterin Europas arbeitet als Trainerin in Halle. Ihre Pferde erliefen in diesem Jahr Preisgelder in Höhe von fast 53 000 Euro. Damit liegt Glodde auf Platz 46 in der Trainer-Rangliste. (mz/jul)

Doch bereits im vergangenen Jahr musste Halle am 31. Oktober passen. Es übernahm die Bahn in Magdeburg. Und auf den Herrenkrugwiesen wird auch an diesem Sonnabend wieder um die Plätze gesprintet. Denn Halle musste den prestigeträchtigen Wettkampf erneut abgeben. Und überhaupt fand 2015 im zweiten Jahr in Folge kein einziger Wettkampf auf den Passendorfer Wiesen statt. Der Anfang vom Ende einer Ära?

Pferderennsport ist in der Krise

Im Oktober 2014 war Andreas Neugeboren zumindest noch zuversichtlich. „Für den Reformationstag 2015 habe ich Halle in den Kalender eintragen lassen“, verkündete der Vize-Präsident des Rennclubs Halle damals. Sein Verein kümmert sich um die Bahn, die der Stadt gehört. Der Club ist auch Ausrichter der Renntage - wenn denn welche stattfinden. Doch in diesem wie im vergangenen Jahr verhinderte der gleiche Grund eine Austragung. „Wir haben es einfach nicht geschafft, die Flutschäden zu beseitigen“, erklärt Neugeboren.

Was bei dem Hochwasser 2013 auf der Pferderennbahn zerstört wurde lesen Sie auf der nächsten Seite.

Im Juni 2013 wurde die Pferderennbahn vom Jahrhunderthochwasser überschwemmt. Das Wasser kletterte damals so hoch, dass die Katakomben unter der Tribüne vollliefen. Auch das Schaltergebäude stand unter Wasser. Die Sanitäranlagen wurden zerstört. Und noch fataler: Die unverzichtbare Startmaschine auf der Rennbahn wurde schwer beschädigt. „Die ist komplett durchgerostet“, sagt Neugeboren. Und damit unbrauchbar.

Was das Wasser anrichtete, sieht man noch heute - allerdings erst auf den zweiten Blick. An vielen Stellen bröckelt der Putz. Darunter wird das fleckige Mauerwerk sichtbar. Aus der Wetthalle im Erdgeschoss riecht es muffig. „Mit solchen Bedingungen kann man keinen Renntag veranstalten“, sagt Andreas Neugeboren.

Schäden in Höhe von 4,1 Millionen Euro

Für eine Verbesserung braucht es jedoch Geld. Auf 4,1 Millionen Euro wurde der Schaden von einem Gutachter geschätzt. Doch die Fluthilfe floss nicht so schnell, wie zu Beginn gedacht - oder wie bei anderen Sportarten. Schon kurz nach der Flut begannen etwa die Planungen für das neue Leistungszentrum des halleschen Fußballernachwuchses. Und auch für die beschädigte Eissporthalle wurde erst ein Provisorium errichtet und mittlerweile eine langfristige Lösung gebaut.

Bei der Galopprennbahn plätscherte das Verfahren jedoch dahin - was auch an der historischen Bausubstanz liegt. Das Ensemble auf den Passendorfer Wiesen wurde 1912/13 errichtet. Es steht unter Denkmalschutz. Einfach abreißen und neu bauen - wie bei Eissporthalle und Fußball-Leistungszentrum - geht hier nicht. Erst Mitte diesen Jahres wurde die Fluthilfe bewilligt. Mit den Außenarbeiten soll nun begonnen werden.

Warum die Herrenkrugwiesen in Magdeburg profitieren lesen Sie auf der nächsten Seite.

#bigimag

Nutznießer der halleschen Misere sind die Herrenkrugwiesen in Magdeburg. Der dortige Renn-Verein übernahm den Reformationstags-Termin nur allzu gerne. Immerhin ist mit ihm auch ein Auktionsrennen verbunden, das zu den höher dotierten in Deutschland gehört. Und wo solch ein Wettkampf stattfindet, dorthin kommt die Elite des Sports.

„Der Reformationstag im vergangenen Jahr lief richtig gut für uns“, resümiert Heinz Baltus. Der Präsident des Renn-Vereins Magdeburg erzählt von einer vollen Bahn und vielen Zuschauern - auch aus Halle. Zudem seien die Wetteinnahmen ausgezeichnet gewesen. Fast 125 000 Euro Umsatz bedeuteten Saisonrekord für die Herrenkrugwiesen. Entsprechend erfreut ist Baltus darüber, dass auch an diesem Sonnabend in Magdeburg die Pferde rennen werden. „Als sich im Sommer abzeichnete, dass Halle den Termin nicht halten kann, haben wir uns gleich beworben“, erzählt der Präsident. Möglicherweise der Beginn einer Ära?

Baltus wiegelt sofort ab. „Wir springen nur ein“, sagt der Magdeburger Präsident. Das Rennen am 31. Oktober gehöre Halle. Und außerdem: „Wir sollten uns das Leben gegenseitig nicht noch schwerer machen“, sagt er. Der Pferderennsport sei sowieso schon in einer Krise. „Gravierend ist das Nachwuchsproblem“, erklärt Baltus. Es gebe kaum neue Züchter. „Deswegen fehlt es in Deutschland an Pferden.“ Und die besten Tiere würden im Sommer sowieso in Frankreich oder Großbritannien antreten, wo es deutlich mehr und viel höher dotierte Rennen gibt. „Wenn wir in dieser Zeit einen Renntag anbieten würden, dann kämen vielleicht drei oder vier Pferde auf die Bahn“, sagt Baltus.

Und auch an einer anderen Front wird das Geschäft mit den schnellen Pferden immer schlechter. Seit Jahren sinken die Wetteinnahmen auf den Bahnen. Im Jahr 2008 wurde noch 39,1 Millionen Euro Umsatz bei 1 573 Rennen erzielt. 2014 waren es dann nur noch 31,9 Millionen Euro bei 1 359 Rennen. Hauptgrund der Entwicklung ist die Abwanderung der Wetten ins Internet. Dort wächst der Markt beständig. Allerdings haben davon die Rennvereine nichts - sie erhalten nur einen Teil der Steuerabgaben, die deutsche Buchmacher entrichten müssen. Und von den internationalen Internet-Wettanbietern bekommen sie nichts.

Lohnt es sich da überhaupt, die Rennbahn in Halle für eine Millionensumme wieder herzurichten? Vielleicht würde die Entscheidung anders ausfallen, wenn das Geld nicht aus Fluthilfemitteln von Bund und Ländern kommen würde. Andreas Neugeboren ist zumindest fest entschlossen: „In Halle wird es wieder Pferderennen geben“, sagt der Vize-Präsident.

Er denkt auch bereits über ein bauliches Konzept nach. „Vielleicht sollte man die Tribüne wieder auf Stelzen stellen“, sagt der 56-Jährige. So sei sie nämlich, im Wissen um die regelmäßigen Hochwasser, einst errichtet worden. „Erst in den 50er Jahren hat man dann das Erdgeschoss zugebaut.“

Renntag 2016 ist das Ziel

Ob dieses Konzept umgesetzt wird, zeigt sich wahrscheinlich im kommenden Jahr. Dann soll die Sanierung der Gebäude auf den Passendorfer Wiesen beginnen. Neugeboren ist zuversichtlich, dass es dann auch wieder mit den Wettkämpfen auf Halles Traditionsbahn klappt. „Zumindest am Reformationstag soll 2016 ein Rennen stattfinden“, sagt der Vize-Präsident. Aber das hatte er 2014 ja auch für dieses Jahr prophezeit.

Die Flut 2013 richtet auf der Rennbahn bleibende Schäden an.
Die Flut 2013 richtet auf der Rennbahn bleibende Schäden an.
Günter Bauer/Archiv Lizenz
Die 1912 erbaute Tribüne der Galopprennbahn in Halle soll im kommenden Jahr saniert werden.
Die 1912 erbaute Tribüne der Galopprennbahn in Halle soll im kommenden Jahr saniert werden.
Silvio Kison Lizenz