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Opfer der "Operativen Psychologie" Opfer der "Operativen Psychologie": Das waren die Waffen der Stasi

Von Silvia Zöller 29.10.2019, 12:45
Uwe Wolfradt ist Mitglied der Kommission „Instrumentalisierung der Psychologie in der DDR“.
Uwe Wolfradt ist Mitglied der Kommission „Instrumentalisierung der Psychologie in der DDR“. Silvio Kison

Halle (Saale) - Nicht erst seit dem Film „Das Leben der Anderen“ sind die berüchtigten Stasi-Methoden zur Zersetzung bekannt: Ein Ehepartner spioniert den anderen aus, Wohnungen werden in Abwesenheit der Mieter umgeräumt, plötzlich gibt es nirgendwo einen Arzttermin. „Die Zersetzung setzte auf alles, was den Menschen schwächt“, sagt Uwe Wolfradt, Professor für Psychologie an der Uni Halle. In einem Vortrag berichtet er am Dienstag, über die „Operative Psychologie der Staatssicherheit der DDR“.

Der Experte, aufgewachsen im Ruhrgebiet mit Familienwurzeln in Mitteldeutschland, beschäftigte sich seit Langem mit dem Thema. Der 58-Jährige ist Mitglied einer historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Psychologie („Instrumentalisierung der Psychologie in der DDR“), die die Methoden der Stasi aufarbeitet - die Ergebnisse werden im kommenden Jahr veröffentlicht.

„Das Problem ist, dass wir nur die Aussagen der Opfer kennen“

„Das Problem ist, dass wir nur die Aussagen der Opfer kennen. Die Täter sagen nichts“, so Wolfradt. Jedoch gebe es zahlreiche Akten und die Dokumente der Juristischen Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit in Potsdam, an der die „Operative Psychologie“ gelehrt wurde. Schulungsmaterialien und Diplomarbeiten zeigen den Wissenschaftlern heute, wie damals Zersetzung, aber auch die Anwerbung von informellen Mitarbeitern gelehrt wurde.

Erstaunlich: „Nur rund 1.000 bis 2.000 Vorgänge der operativen Psychologie hat es gegeben“, sagt Wolfradt. Zwar seien dies zahlenmäßig wenige Vorgänge, jedoch habe es sehr drastische Fälle gegeben, bei denen die Opfer in den Selbstmord getrieben worden sind. Eines der bekanntesten Opfer der perfiden psychologischen Kriegsführung ist der Schriftsteller und Bürgerrechtler Jürgen Fuchs, der aus der DDR ausgewiesen wurde und möglicherweise nicht nur gnadenlose Verhöre in der Stasi-Haft über sich ergehen musste.

„Es gab Vater-Kind-Beziehungen, Freundschaften und eine heroische Verklärung der Beziehung“

Vielmehr gab es nach seinem frühen Krebstod mit 48 Jahren den (nicht nachgewiesenen) Verdacht, dass er in der Haft radioaktiven Strahlen ausgesetzt worden war . „Jürgen Fuchs hatte ausgerechnet in Jena Psychologie studiert. Dort wurden die acht Experten sozusagen konspirativ ausgebildet, die das Fach Operative Psychologie später an der Hochschule in Potsdam lehrten“, sagt Uwe Wolfradt.

Überhaupt hatte das Spezialgebiet nicht die Bedeutung, die man vermuten konnte: Nur fünf Prozent sei der Anteil des Lehrstoffs an der Stasi-Hochschule in diesem Bereich gewesen. Aus der Sicht des Wissenschaftlers werden aber auch die komplizierten Beziehungen beleuchtet, die inoffizielle Mitarbeiter teilweise zu ihren Führungsoffizieren hatten. „Es gab Vater-Kind-Beziehungen, Freundschaften und eine heroische Verklärung der Beziehung“, so der Psychologe. Mit Sprüchen wie „Du bist doch auch für den Frieden“ oder „Der Staat tut etwas für dich, als tue du auch etwas für den Staat“, habe man so manches Opfer dazu gebracht, Täter zu werden.

Opfer der „Operativen Psychologie“

Bislang erhielten die Opfer der „Operativen Psychologie“ keinerlei Entschädigung, obwohl sie bis heute darunter leiden. Umso mehr begrüßt es Wolfradt, dass der Bundestag gerade in dieser Woche Verbesserungen bei der Rehabilitierung beschlossen hat: Auch Zersetzungsopfer haben nun Anspruch auf Opferrente.

››Öffentlicher Vortrag „Operative Psychologie der Staatssicherheit der DDR“ im Audimax der Uni, Universitätsplatz 1, am Dienstag, 29. Oktober, um 16 Uhr. Der Eintritt ist frei. (mz)