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Olympische Medaillengewinner Olympische Medaillengewinner: Kalte Dusche und Schokolade

Von Frank Czerwonn 08.11.2002, 20:56

Halle/MZ. - Keine Vitrine mit Medaillen und Pokalen, keine Wand voller Urkunden - in der Neubauwohnung von Ulla Donath erinnert nichts daran, dass hier eine der erfolgreichsten Sportlerinnen Halles lebt. 1960 lief sie bei den Olympischen Spielen in Rom über 800 Meter zur Bronzemedaille und holte damit das erste olympische Edelmetall für die Saalestadt. "Das ist lange her", winkt sie ab.

Dabei fällt ihr Blick auf die Fotogalerie der Kinder und Enkel. 71 Jahre ist Ulla Donath im Sommer geworden. Doch sentimentale Rückblicke sind nicht ihre Sache. Natürlich sei es schön, manchmal die Mitstreiter von damals wiederzusehen. So wie an diesem Wochenende, wenn Donath zum 70. Geburtstag von Siegfried Herrmann, dem früheren Weltrekordler über 3000 Meter, nach Thüringen reist. Doch im Alltag schaut die temperamentvolle Frau lieber nach vorn.

Wissbegierig ist sie, neugierig auf Entdeckungen. Vor allem von Historikern und Archäologen. Sie liest viel - über Troja, die Pyramiden, Ausgrabungen, geht zu Vorträgen, schaut TV-Dokumentationen. Zeitschriften wie "National Geografics" oder "Geo" liegen neben dem Sessel. "Ich finde das unglaublich spannend, möchte wissen, was uns die Wissenschaft noch alles bringt", so Donath. "Aber ich bin nur ein interessierter Laie."

Früher hat sie die Werke russischer Schriftsteller verschlungen, sich dann mit Kunstgeschichte beschäftigt. Kunst spielte immer eine große Rolle für sie. Abstrakte Bilder der halleschen Künstlerin Christiana Jung schmücken das Wohnzimmer, über der schweren, gediegenen Polstergarnitur hängt eine moderne Lampe aus Chrom und Glas. "Man muss doch offen für Neues bleiben", meint Donath, die fast unbewusst eine Brücke zwischen Gestern und Morgen schlägt. Denn so, wie die frühere Hochschullehrerin einerseits neuen Dingen aufgeschlossen ist, gibt sie andererseits ihre Erfahrungen und ihre Begeisterung an Jüngere weiter. Und so nimmt sie ihre Enkel mit ins Theater oder geht mit ihnen in die Brücke-Schau der Moritzburg. "Aber nur eine halbe Stunde, sie sollen sich ja nicht langweilen."

Langweilen? Das Wort scheint Ulla Donath nicht zu kennen. Ihren Garten hat sie zwar abgegeben, dafür ist sie nun fast jeden Vormittag zu Fuß in der Stadt unterwegs, kümmert sich an drei Tagen der Woche um die Enkel, trifft sich mit Freunden oder verreist. Obwohl sie etwas in der Welt herum gekommen ist, sagt sie: "Mein liebstes Reiseland ist Mecklenburg." Von der unberührten Landschaft und der Ruhe ist sie begeistert. Und lässt sich allerhand einfallen, um die Ferien in dieser Abgeschiedenheit auch für den mitreisenden Enkel spannend zu machen; bringt ihm zum Beispiel das Angeln bei.

Aber wo nimmt sie all die Energie dafür her? Donath zuckt mit den Schultern. Doch dann fällt ihr ein: "Ich dusche jeden Tag eiskalt. Und esse viel Obst." Aber von gesunder Ernährung könne keine Rede sein. "Denn ich liebe Schokolade und Süßigkeiten." Und wo bleibt der Sport? "Ich habe mein ganzes Leben mit Sport verbracht, jetzt trete ich etwas kürzer." Doch wenn sie durch die Stadt geht, dann hat das mit Schlendern noch immer nichts zu tun...

Als sie das erste Mal von der Olympia-Idee für Leipzig und Halle hörte, tat Ulla Donath das als fixe Idee ab. Dennoch ging sie aus Neugier zu einem Treffen des Bürgervereins "(H)alle für Olympia". "Und ich war überrascht, was für ein professionelles Team das ist." Inzwischen engagiert sich Donath selbst für diese Bewerbung, wirbt beispielsweise Mitglieder für den Verein. Warum? "Weil wir allein schon durch die Bewerbung deutschlandweit auf unsere Stadt hinweisen und Aufmerksamkeit wecken können."

Doch in der ersten Reihe will sie nicht stehen. "Mich kennen doch höchstens noch Leute aus meiner Generation", glaubt sie. Aber sie möchte mithelfen, dass viele Hallenser hinter der Olympia-Idee stehen. Deshalb war sie geradezu begeistert von Waldemar Cierpinskis Idee des Mitteldeutschen Marathons. Nein, mitgelaufen sei sie nicht, aber natürlich hingegangen. Und am nächsten Tag hat sie Cierpinski spontan mit einem Rosenstrauß als Dankeschön überrascht.