Kosten explodieren Nervenkrieg auf Baustelle in Halle-Silberhöhe - Weitere Bombenfunde wahrscheinlich
Zehn Bomben auf einer Baustelle in nur wenigen Monaten: Warum die Suche nach den Blindgängern so schwierig ist und die Kosten explodieren.

Halle (Saale) - Bombe Nummer zehn liegt am nordwestlichen Rand der Baustelle. Der Fußmarsch von der Willi-Bredel-Straße über das 85.000 Quadratmeter große Grundstück bis zum Fundort dauert einige Minuten. Zwischendurch türmen sich Erdhügel auf, gespickt mit alten, verrosteten Rohren. „Der hohe Schrottanteil im Bauschutt macht die Suche nach alter Munition und Blindgängern schwierig. Die Sonde erkennt zwar, dass sich Metall im Boden befindet. Aber um was es sich handelt, weiß man erst, wenn der Verdachtspunkt geöffnet ist“, sagt Denny Bernhardt, Mitarbeiter der privaten Kampfmittel-Erkundungsfirma Ex-act GmbH aus Zwickau. Am Montag hatte sich der Verdacht wieder bestätigt. Es handelte sich erneut um eine 75 Kilo schwere Fliegerbombe amerikanischer Bauart.
Anwohner haben genug
Seit Herbst geht das nun schon so. Mehrfach mussten angrenzende Wohngebiete evakuiert werden, bevor die Blindgänger unschädlich gemacht werden konnten - das letzte Mal erst vor wenigen Tagen am Freitag. „Wir können nachvollziehen, dass die Anwohner gestresst sind. Die Situation ist für alle Seiten nicht einfach“, sagt Sprengmeister Udo Theilemann vom Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes. Dass ständig neue Bomben entdeckt werden, stößt bei den betroffenen Bewohnern der Silberhöhe zunehmend auf Unverständnis. Wurde die Fläche bei Baubeginn nicht gründlich voruntersucht?

Sprengmeister Denny Knabe, der mit Theilemann am Dienstag die Bombe entschärft, sieht die Erklärung im komplizierten Baugrund. Bis vor ein paar Jahren standen auf dem Grundstück noch ein großer Rundblock, fünf Elfgeschosser und eine Kaufhalle. „Nach dem Abriss blieb eine zwei Meter dicke Schicht aus Bauschutt übrig, die das Sondieren erschwert. Zudem befindet sich viel Schrott wie alte Leitungen im Boden.“ 140.000 Kubikmeter Schutt müssen beräumt werden, bevor der neue Fußballcampus errichtet werden kann. Die Schichten können nur Meter für Meter abgetragen werden, nachdem sie auf Kampfmittel untersucht worden sind. Das kostet Zeit.

Es gibt mehrere Theorien, warum auf diesem Areal so viele Bomben liegen. Zu Kriegsende befand sich dort - damals war es freies Feld - eine Flakstellung der Wehrmacht. Sie nahm die alliierten Bomberverbände ins Visier, die mehrere Angriffswellen vor allem auf den Chemiestandort Leuna flogen. „Es ist wahrscheinlich, dass die Jagdbomber die Flak angegriffen haben, um sie auszuschalten“, sagt Knabe. Dafür spreche der relativ kleine Bombentyp von 75 Kilo, 40 Kilo davon ist TNT-Sprengstoff. Zwölf Tonnen Bomben hatten die Flieger zumeist gebunkert. Mit diesen Sprengsätzen - ein Meter lang und etwa 20 Zentimeter im Durchmesser - sei es möglich gewesen, das Gebiet mit einem „Bombenteppich“ zu überziehen, so Knabe. Eine andere Theorie lautet, dass ein Bomber von der Flak getroffen worden sein könnte und seine Ladung aus geringer Höhe abwarf - die reichte dann nicht mehr aus, die Bomben scharfzumachen.
Offene Fragen
Tatsächlich ist unklar, warum die Sprengsätze beim Aufprall nicht explodierten. Beim Abwurf dreht zunächst ein Windrad die Kuppe vom Druckteller. Anschließend lösen sich zwischen Druckteller und Zünder die Sicherungselemente. Schlägt die Bombe auf, geht sie hoch. „Möglicherweise ist der Boden hier so weich gewesen, dass der Druck beim Aufprall nicht ausgereicht hat, die Explosion auszulösen“, sagt Knabe. Auf der Baustelle wurden indes auch Köpfe und Rohre von Panzerfäusten und Brandbomben aus Kriegszeiten gefunden.
Die explosiven und noch immer gefährlichen Altlasten treiben die Kosten in die Höhe. Ursprünglich sollte der Bau des Fußball-Campus rund 11,3 Millionen Euro kosten, finanziert aus der staatlichen Fluthilfe nach dem Hochwasser 2013. Das neue Zentrum auf der Silberhöhe soll das Trainingsgelände auf dem Sandanger ersetzen, der vor sieben Jahren unter Wasser stand. Mittlerweile geht die Stadt davon aus, dass die Baukosten auf etwa 16 Millionen Euro explodieren, auch wegen der Bomben. Im Ratshof rechnet man aber damit, dass die Preissteigerung ebenfalls über die Fluthilfe abgedeckt wird.

Unterdessen will Ex-act mehr Mitarbeiter einsetzen, um größere Bereiche sondieren zu können. „Das könnte zwar bedeuten, dass wir zwei, drei Blindgänger auf einmal entschärfen. Aber wir müssten nur einmal evakuieren und nicht dreimal“, sagt Theilemann. (mz)