Nationalspieler aus Halle Nationalspieler aus Halle: Andreas Obst ist bereit für die große Bühne

Halle (Saale) - Es ist eine Reise in die Vergangenheit. Ganz ohne Zeitmaschine. Andreas Obst steht an einem heißen Sommertag als Stargast in der Sporthalle des Thomas-Müntzer-Gymnasiums und versucht noch ziemlich unbeholfenen, aber umso motivierteren Schülern die ersten Feinheiten des Basketballs näherzubringen.
Der 1,91-Meter-Mann hat Spaß, er scherzt mit den Kindern, nimmt sich Zeit für die vielen Fragen. Wohlwissend, dass er vor über zehn Jahren selbst als Teenager in dieser Halle daran arbeitete, den Sport mit den hochhängenden Körben zu meistern. „Es ist krass zu sehen, dass ich mal hier gestanden und die Grundlagen des Basketballs gelernt habe“, zeigt sich der heute 22-Jährige nach der Einheit beeindruckt von der kleinen Reise in die Vergangenheit. Schließlich vergegenwärtigt die ihm, wie weit er es als Basketballer gebracht hat.
Von den Anfängen bei den USV Rhinos, auch Organisatoren des Schülertrainings, hat es der Hallenser nicht nur zum Profi geschafft. Seit rund zwei Jahren ist er Nationalspieler, neben dem Eisenacher Johannes Voigtmann der einzige mit Wurzeln in den neuen Bundesländern. Weshalb es keineswegs übertrieben ist, Andreas Obst als einen der besten Basketballer zu bezeichnen, den Ostdeutschland in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat. Er, der einst als Schüler in der halleschen Turnhalle wegen fehlender Kraft keine Dreier werfen durfte, steht nun sogar vor dem Schritt auf eine er großen Bühnen des Basketballs.
Andreas Obst: „Mein Anspruch ist es, dabei zu sein“
Obst hat gute Chancen, zum nur zwölf Mann großen Kader der deutschen Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft in China (31. August bis 15. September) zu gehören. „Mein Anspruch ist es, bei der WM dabei zu sein“, betont er in Halle. „Und ich bin auch guter Dinge, dass ich dabei bin, ich fühle mich gerüstet.“
Dabei ist die Auswahl an nationalen Spitzenbasketballern wohl so groß wie nie. Allein sechs Deutsche spielen derzeit in der US-Profiliga NBA, der besten der Welt. Viele weitere Spieler sind bei europäischen Spitzenmannschaften aktiv. Der Großteil von ihnen tummelt sich allerdings auf den großen Positionen. Dort stehen für Bundestrainer Henrik Rödel harte Entscheidungen an. Die Auswahl an starken Guards ist überschaubar. Davon profitiert Obst.
Zuletzt hat er aber auch selbst viele Argumente für sich gesammelt. Bei den letzten WM-Qualifikationsspielen im Februar war Obst zweimal Topscorer des Nationalteams. In Israel erzielte er 16 Punkte, gegen Griechenland zwölf. Den Großteil davon per Dreipunktewurf. Weshalb sich danach die meisten Experten einig waren: So einer wie Obst, der muss mit zur WM. Weil es wohl derzeit keinen besseren deutschen Schützen gibt.
Tatsächlich hat Obst noch einmal einen Entwicklungsschritt genommen. Weil er sich bewusst für einen zweiten Sprung ins relative Ungewisse entschied. So wie er einst mit 15 Jahren als Talent aus Halle weg ging, um sich in Bamberg, bei einer der führenden Mannschaften in Deutschland, zum Profi zu entwickeln, so entschied er sich im vergangenen Sommer für den Weg weg aus Deutschland, um sich zu einem noch besseren Profi zu entwickeln.
Dabei hätte der Wurfspezialist nach einer starken Saison bei den Rockets aus Gotha, die ihm die Auszeichnung als bester Nachwuchsspieler der Liga einbrachte, zu einem Europapokal-Teilnehmer aus Deutschland wechseln können. Es wäre der bequemere Weg gewesen. Obst zog es aber nach Spanien, ins Land seiner Basketball-Träume. Bei Obradoiro, ein Verein aus der Pilgerstadt Santiago de Compostela, unterschrieb er einen Dreijahresvertrag.
Andreas Obst konnte Glanzpunkte setzen
Die erste Saison in der ersten Liga Spaniens, die als stärkste Europas gilt, hat Andreas Obst am heißen Sommertag in Halle bereits hinter sich. Mit seinem Team ist er gerade so am Abstieg vorbeigeschrammt. Trotzdem ist der Basketball-Legionär zufrieden. „Obradoiro ist einer der kleinsten Vereine, mit einem der geringsten Etats. Dazu sind viele junge Spieler im Team, die entwickelt werden sollen“, erklärt er. „Es hätte besser laufen können, aber wir haben die Klasse gehalten, es ist also alles gut gegangen.“
Gut gegangen ist auch die erste Saison in Spanien für Obst selbst. „Ich habe etwas Zeit gebraucht, um mich zu akklimatisieren. Die habe ich bekommen und konnte mich dann auch beweisen.“ Mit 20 Punkten gegen Barcelona oder 17 Punkten gegen Real Madrid, die stärksten Teams der Liga, konnte er Glanzpunkte setzen, ebenso mit dem entscheidenden Korbleger im Derby gegen das Team aus Lugo.
Insgesamt kam er bei 17 Minuten Spielzeit pro Partie auf 7,35 Punkte im Schnitt, traf mehr als 42 Prozent seiner Versuche aus der Distanz. Obst zählt somit zu den zehn besten Dreierschützen der Liga. Wichtiger als die nackten Zahlen: „Ich habe mich als Basketballer verbessert“, sagt Obst. „Es ist ein anderes Spiel als in Deutschland. Intelligenter, taktischer. Ich habe viele Details und Tricks gelernt, die ich nicht gewohnt war.“
Vorbereitung auf die Nationalmannschaft in Berlin
Durch den Schritt nach Spanien ist er auch persönlich gereift. „Ich habe menschlich viel mitgenommen. Ich musste mit vielen neuen Sachen, einer neuen Sprache klarkommen. Das hat meinen Geist erweitert.“ Tatsächlich wirkt Obst noch selbstsicherer, als er es ohnehin schon war. Und damit bereit für die große Bühne Weltmeisterschaft.
In den kommenden Wochen bringt er sich nun in Berlin, wo Freundin Nina wohnt, für die Nationalmannschaft in Form. An diesem heißen Sommertag signiert der Stargast nach der Trainingseinheit aber erstmals jedes T-Shirt, jede Trinkflasche und jeden Schuh - alles, was ihm die begeisterten Schüler hinhalten. Oder steht für Fotos bereit. In Halle, dort, wo für ihn selbst alles anfing. (mz)
* In einer früheren Version des Artikels wurde behauptet, dass Andreas Obst der einzige aktuelle Nationalspieler mit Wurzeln in Ostdeutschland ist. Das ist falsch.
