MZ vom 06.08.1997 MZ vom 06.08.1997 : Metro-Mörder-Paar weiter flüchtig

Halle (Saale) - Von Berlin bis Prag, von Toronto bis Tokio - in den Polizeistationen der ganzen Welt hängen die Konterfeis der mutmaßlichen Metro-Mörder Norman und Sandra Franz. Die Fäden der internationalen Fahndung nach den untergetauchten Gangstern laufen bei der 21köpfigen Sonderkommission in Halle zusammen. Sie sucht nicht nur die Täter. Auch das grüne Fluchtfahrzeug, das Franz und seine Frau nach dem Verbrechen am 21. Juli, 6.30 Uhr, benutzt hatten, wurde noch nicht gefunden.
Im obersten Stockwerk der halleschen Polizeidirektion herrscht konzentrierte Arbeitsatmosphäre. Auch im Zimmer von Kriminalhauptkommissarin Birgit Kilian. Die dunkelhaarige Frau leitet die Soko Metro. "Von dem grünen Fluchtauto kennen wir den Typ nicht, wissen aber, daß es aus einer älteren Baureihe stammt, und sein Lack stumpf ist. Wer es irgendwo entdeckt hat, sollte uns informieren", sagt die Soko-Chefin auf Anfrage der MZ.
„Das Auto hat zur Tatzeit gegenüber der Gaststätte ,Grüne Tanne" auf dem Metro-Parkplatz an der Bundesstraße 100 gestanden. Unmittelbar hinter einem Lkw.“ Auch dessen Typ kennt die Polizei bisher nicht. „Wir suchen deshalb nach dem Lkw-Fahrer und weiteren Zeugen, die hier am Morgen des Verbrechens etwas gesehen haben. Zum Beispiel das Verladen der geraubten Metallkoffer oder die Flucht der Täter“, hieß es weiter.
Melden sollten sich auch Busfahrer und Fahrgäste, die zwischen 6 und 6.30 Uhr an der Bushaltestelle in Höhe des Gasthofes „Grüne Tanne“ waren und das Fluchtauto oder den Lkw beschreiben können. Die Polizei nimmt Hinweise unter Tel. 0345/2241291 oder 2241292 entgegen. Zum großen Kreis der Ermittler im Metro-Fall gehört auch Oberstaatsanwalt Winfried Wölfel. Seine Arbeit begann wenige Minuten nachdem die tödlichen Schüsse auf die Geldboten Peter S. und Gerd K. abgegeben und zwei Geldkoffer mit einer halben Million Mark geraubt worden waren.
Fund aller 46 Geldkassetten
Ein Lichtblick war der Fund aller 46 Geldkassetten vorigen Freitag im Saalkreis. Was bleibt, ist die quälende Frage: Wo halten sich die Täter versteckt? „Konkrete Hinweise auf ihren derzeitigen Aufenthalt haben wir nicht“, sagt Wölfel auf Anfrage. Mehrere Hotels – darunter in Taucha bei Leipzig – waren überprüft worden. Im Großraum Halle endeten die Spuren des Ehepaares am 22. Juli. Einen Tag nach dem Überfall hätten Franz und seine Frau hier ein Hotel verlassen, in dem sie mehrere Wochen logiert hatten.
Den Ort, so Wölfel, wolle er aus Gründen des Zeugenschutzes nicht nennen. Nur so viel: Er liege im Umkreis von 20 Kilometern um den Tatort. In dieser Herberge Zuflucht gesucht hatten der verurteilte Doppelmörder und seine Frau, als sie in Weimar ebenfalls einen Raubüberfall verübt und dabei einen Wachmann erschossen hatten. Von diesem Unterschlupf aus, ist der Oberstaatsanwalt sicher, hatten die Gesuchten den Großmarkt bei Peißen observiert und so den Überfall vorbereitet. „Wir nehmen an“, so Wölfel weiter, „dass das Paar nicht lange mit dem grünen Auto geflüchtet ist.“
Wahrscheinlich stiegen beide rasch auf einen roten VW Polo mit dem Kennzeichen UN-MA 954 um. Dass Franz, der aus einem Gefängnis in Hagen ausgebrochen war, Kontaktpersonen im Raum Halle hatte, gilt als unwahrscheinlich. Den Druck der Fahndung spürt das Mörder-Paar auf Schritt und Tritt. Wird er sie entzweien? „Eine Mutmaßung“, sagt Winfried Wölfel.
„Sandra Franz ist erst 20 Jahre alt und war bisher eine unbescholtene Frau. Trotzdem hat sie einen Doppelmörder geheiratet und wurde Mittäterin an schweren Verbrechen. Das könnte nicht ohne Auswirkung bleiben." Birgit Kilian bringt noch einmal die Gefährlichkeit von Norman Franz ins Spiel. „Dieser Mann zögert nicht, zu schießen, wenn er nur den Eindruck hat, jemand sieht ihn intensiv an. Da ist äußerste Vorsicht geboten.“
„Inzwischen sind es über 200.000 Mark Belohnung, die verschiedene Behörden für die Ergreifung der Täter ausgesetzt haben“, so Wölfel. Das sei ungewöhnlich in der Fahndungsgeschichte. (mz)