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MZ-Gespräch mit Schwimmer Paul Biedermann MZ-Gespräch mit Schwimmer Paul Biedermann: Nach Anschlägen von Paris: "Ich gehe weiter auf Konzerte"

16.11.2015, 17:41
Paul Biedermann ist der Anführer vom „Team Rio“ in Sachsen-Anhalt.
Paul Biedermann ist der Anführer vom „Team Rio“ in Sachsen-Anhalt. Imago Lizenz

Halle (Saale) - Allzu viel reden mag Paul Biedermann eigentlich gerade nicht. Ab Donnerstag möchte der Hallenser in Wuppertal Taten sprechen lassen. Was für den Schwimm-Star nichts anderes heißt, als sich bei den deutschen Kurzbahnmeisterschaften für die Olympia-Saison in Stellung zu bringen. Mit prima Zeiten über 200 und 400 Meter Freistil. Und, wenn diese gelingen, auch mit den nationalen Titeln Nummer 34 und 35. Versteht sich von selbst für einen aktuellen WM-Dritten.

Doch nach zuletzt bewegten Zeiten im Privatleben, der Trennung von Lebensgefährtin Britta Steffen, ist dem 29-Jährigen um die Wettkämpfe herum keineswegs nach medialem Brimborium. Also sagte er dem Verband ab, auf dem Podium bei der offiziellen Pressekonferenz im Vorfeld der Meisterschaften Platz zu nehmen. Weil er aber um seine maßgebliche Rolle im deutschen Schwimmsport weiß, redete er, ganz Profi, gestern zumindest via Telefon. Er gab zwei Stunden lang Interviews - in acht 15-Minuten-Blöcken.

Doch so ganz einfach ist es für den Weltstar gerade nicht, sich ausschließlich auf seinen Sport zu konzentrieren. Die Terror-Akte in Paris lassen Paul Biedermann natürlich nicht unberührt. Vor allem die Selbstmord-Anschläge bei einem Rockkonzert im Konzertsaal Bataclan. Schließlich ist er bekennender Fan harter Musik. Ein Konzert einer solchen Band wie die „Eagles of Death Metal“ zu besuchen, die zum Zeitpunkt der Bomben-Detonationen auf der Bühne stand, wäre für ihn nichts Außergewöhnliches. Immerhin hat er schon mit Zehntausenden auf dem legendären Wacken-Festival zu brachialen Klängen abgefeiert.

„Speziell diese Band von Paris kannte ich bisher noch nicht. Ich habe mich aber inzwischen über sie informiert“, erzählt der Schwimmer und dann gesteht er: „Als Konzertgänger haben mich die Vorfälle sehr schockiert. Es ist ein bedrohliches Szenario, wenn jetzt schon eine Gefahr bei Musik-Events besteht“, sagt Paul Biedermann. Er wird leiser und findet es dann „schwierig, darüber zu reden. Ich wünsche jedenfalls den Angehörigen in diesen schweren Momenten viel Kraft.“ Doch seiner Lieblings-Freizeitbeschäftigung wird er dennoch nicht abschwören. „Ich werde weiter auf Konzerte gehen. Ich werde jetzt nicht zurückschrecken und lasse mich nicht in meinem Leben einschränken“, sagt Biedermann. Genau dies bei Menschen zu erreichen, Furcht zu schüren, sei ja auch ein Ziel der Attentäter.

Keine Sicherheitssorge

Biedermanns Ansicht klingt wie eine Empfehlung. Und weil er Rückgrat hat, plant er auch, auf eine heikle Reise zu gehen, die ihm als Sportler bevorsteht. Anfang Dezember - vom 2. bis 6. - sind die Kurzbahn-Europameisterschaften terminiert. Austragungs-Ort: Israel. Ein Land, das noch niemals im internationalen Wettkampfkalender der Schwimmer stand, aber gerade mit einer diffizilen Sicherheitslage zu kämpfen hat durch den wieder aufgeflammten Konflikt mit den Palästinensern.

„Ich war noch nie dort“, gesteht Paul Biedermann. Er hätte Lust auf die Premiere. Denn: „Wegen der Sicherheitslage mache ich mir keine großen Sorgen.“ Er fühlt keine Unsicherheit oder gar Angst. Noch einmal eine Kurzbahn-EM erleben, wo er vor zehn Jahren mit Bronze über 400 Meter Freistil seine erste internationale Medaille gewann, das möchte er gern.

Vorausgesetzt, die Zeiten in Wuppertal stellen ihn zufrieden. Chancenlos mag er nicht nach Israel anreisen. Doch eigentlich ist Paul Biedermann prima vorbereitet. Zwei Jahre lang hatte er sich das ungeliebte Höhentrainingslager gespart. „Diesmal habe ich mich wieder aufgerafft.“ Also spulte er in der spanischen Sierra Nevada bis Ende Oktober ein hartes Pensum ab. Mit dem Wissen: Es ist das letzte Mal.

Nach den Olympischen Spielen im kommenden Jahr wird er, dann 30-jährig, die Wettkampfbühne verlassen. Natürlich mit einer Medaille, oder? „Eine Medaille muss man sich verdienen, sich dafür im Rennen beweisen. Dann kommt es auch darauf an, wie man am jeweiligen Wettkampftag drauf ist“, sagt er ganz defensiv. Schließlich seien noch zehn Monate Zeit, bis es in Rio darauf ankommt. Die 200 Meter Freistil möchte er dort auf alle Fälle absolvieren, die Staffeln sind eine vorstellbare Zusatzoption, ob dies auch die 400 Meter sind, das wird er erst später entscheiden.

Job-Angebot in Halle

Und was kommt nach den Spielen, wenn er in ein Schwimmbecken nur noch zum Abtrainieren springt, quasi die Karriere ausbadet? „Ich habe ein Job-Angebot in Halle, vielleicht baue ich auch eine eigene Firma auf. Ich sehe das alles noch entspannt“, sagt Paul Biedermann. „Ich werde mich bestimmt an das Leben nach dem Leistungssport gewöhnen. Dazu gehört dann auch, mal in eine Kneipe zu gehen. Und auf jeden Fall werde ich weiterhin bei Konzerten sein“, sagt Paul Biedermann.

Vielleicht ergibt sich dann die Gelegenheit, auch einmal irgendwo die „Eagles of Death Metal“ live zu erleben. (mz)

Halles Ausnahme-Schwimmer Paul Biedermann.
Halles Ausnahme-Schwimmer Paul Biedermann.
dpa Lizenz