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Musiker Klaus Adolphi aus Halle Musiker Klaus Adolphi aus Halle: Eigensinn im Elbenland

Von Steffen Könau 04.07.2015, 09:02
Bei den Aberlour’s zeigt Klaus Adolphi die Richtung - so erfolgreich, dass aus dem ursprünglichen Duo mit Gitarre und Geige inzwischen ein Quintett geworden ist.
Bei den Aberlour’s zeigt Klaus Adolphi die Richtung - so erfolgreich, dass aus dem ursprünglichen Duo mit Gitarre und Geige inzwischen ein Quintett geworden ist. Heiko Fiedler Lizenz

Halle (Saale) - Es hat nie einen Plan gegeben, gesteht der schmale Mann mit dem langen Haar bereitwillig ein. Die am weitesten zurückliegende Erinnerung, die Klaus Adolphi hat, ist die an eine Familienerzählung. „Zur Einschulung soll ich auf die üblichen Tanten-Fragen, was ich werden wolle, im Brustton der Überzeugung geantwortet haben: ,Sänger und Schauspieler wie Manfred Krug!’“ Krug ist ein Star aus dem Plattenschrank der Eltern, Klaus Adolphi damals ein Dreikäsehoch. Aber der Traum davon, auch auf der Bühne zu stehen, „änderte sich auch später nicht mehr“, sagt er. Mittlerweile ist er ja auch schon länger dabei, als Krug seinerzeit an Jahren zählte.

Das fünfte Album von Adolphis Band The Aberlours heißt „Dayoodlo“ und überrascht mit sattem Irish-Rock, mitreißenden Melodien und gefühlvollen Balladen. Erstmals haben zwei Songs deutsche Texte. Neben dem plattdeutsch gesungenen „Min Leevsten“ mit einem Text aus dem 17. Jahrhundert gibt es auch zum Titelsong eine deutsche Version, die zudem in hallescher Mundart gehalten ist: „Najana“ heißt der Song hier. The Aberlours stellen das neue Album am Sonntagabend erstmals live beim Moritzburg Open Air in Halle vor.

Bei den Elbenkonzerten auf dem Eulenbergschen Hof geht es am 11. Juli mit einer Band mit Musikern aus Australien, den USA und Deutschland weiter. The Beez spielen Bluegrass, Pop, Country und Balkanfolk, aber auch „Bohemian Rhapsody“ von Queen. Am 16. August folgt dann das Salonorchester Piccolo aus Halle mit Klassik und Musicalmelodien, ehe am 12. September das Weltmusik-Trio Jon Sanders, Dave Alley, Toni Geiling auf seiner Continental-Drift-Tour im Elbenland Station macht.

Auf seine Weise ist der Hallenser längst selbst eine Musiklegende. Seit 1979 spielt er mit seiner Gruppe Horch verschärften Mittelalter-Folk. Seit 1999 ist er auch noch mit der Irish-Folk-Band The Aberlour’s und seit ein paar Jahren mit dem Projekt Siebenschläfer unterwegs. Dazu gibt Adolphi im Advent stets den Hund Lumpi in der Kinder-Weihnachtsrevue des Steintor-Varietés. Und zum Jahresende ist er fester Bestandteil der Band des kultigen Weihnachtssingens in Halle.

Ein vielbeschäftigter Mann, der sich nach getaner Arbeit in die Idylle seines Bauernhofes in Elben zurückzieht, einem Ortsteil von Freist im Niemandsland zwischen Eisleben und Könnern. Nur an manchen Wochenenden kommt die Musikwelt nach Mittelerde und aus dem Komponisten, Musikanten, Schauspieler und Fotografen wird ein Veranstalter, der sich freut, „wenn ich die geschundene Region zwischen Halle und Harz kulturell ein wenig beleben kann“.

Klaus Adolphi macht, was er macht, weil es ihm Spaß macht. Das war schon so, als er noch brav zur Musikschule ging, bei jeder Gelegenheit „was vorspielte aus dem weiten Feld zwischen Volksliedern und den Beatles“, wie er sagt. Und dabei früh erkennt, „wie wirkungsvoll Gitarre am Lagerfeuer ist“. Ins Singeclub-Programm schmuggelt Adolphi schließlich erste eigene Songs, in der 11. Klasse besteht er die Aufnahmeprüfung der Schauspielschule. „Ich war der Meinung, ich bin auf dem richtigen Weg.“

Seinen Eltern ist der 54-Jährige bis heute dankbar dafür, dass sie nie versucht haben, ihm seine Flausen auszutreiben. Zusammen mit einem „gewissen Hang zu Ruhm und Ehre“, der für Teenager wesentlicher Antrieb für Kreativität sei, wie er glaubt, öffnete ihm das die Tore zu einer neuen Welt.

Schon als Schüler gründet Klaus Adolphi seine Band Horch – was dazu führt, dass ihm nicht mehr genug Zeit für das Schauspiel-Studium bleibt. „Mit 23 hatte ich einen Berufsausweis als ,Tanzmusiker’“, erzählt er, „und damit die Legitimation, mit Lieblingsbeschäftigungen meinen Lebensunterhalt zu verdienen.“ Mitten im Sozialismus wird Adolphi Unternehmer. „Man musste sich nicht nur um sein Einkommen, sondern auch um die Beschaffung und Bezahlung seiner Arbeitsmittel selbst kümmern – teils auf abenteuerlichsten Wegen.“

Wie die Hallenser im Westen empfangen werden und welche Stars Adolphi schon auf seiner eigenen Bühne hatte, lesen Sie auf Seite 2.

Doch diese Wege führen nach oben. Schon mit der ersten Schallplatte steigt das Quintett aus Halle in die Oberliga der Folkkünstler des Landes auf. „Das war dann schon eine Ebene mit gewissen künstlerisch-politischen Freiheiten“, erinnert sich Adolphi, „wobei wir den Dissidenten-Status von Hans-Eckardt Wenzel oder Stephan Krawczyk nie erreichten, aber auch nicht angestrebt haben.“

Horch ist augenzwinkernde Systemkritik, die Klaus Adolphi am liebsten in endlosen Nachtsitzungen aus mittelalterlichen Originaltexten gräbt: „Historische Texte eigneten sich bestens, um unbemerkt von der Zensur eigene Botschaften einzustreuen.“

Der Westen empfängt die Hallenser mit offenen Armen. Wo anderen Ost-Bands das Geschäft zusammenbricht, weil die Fans nun endlich mal die Originale sehen wollen, gelingt Horch der Aufbruch fast bruchlos. „Richtig furios mit einer ausgedehnten England-Tour“, sagt Adolphi, „zwischen totaler Euphorie mit uns in den BBC-Nachrichten und der Royal Festival Hall und der Ernüchterung, dass der Kapitalismus offenbar doch so funktioniert, wie wir es in der Schule lernen mussten.“

Dem Multiinstrumentalisten und Fan alter Instrumente wird klar, „dass Künstler unterhalb des kommerziellen Sahnehäubchens von nun an Liebhaber oder vogelfreie Gaukler sein werden“. Mit der staatlichen Überwachung und Bevormundung ist die flächendeckende Förderung verschwunden - auch bei Horch müssen zweite Standbeine ausgefahren werden. „Anfang der 90er habe ich mehr Radiowerbung produziert als Konzerte gegeben“, sagt Adolphi.

Auftritte beim Wacken

Umso schöner sind Höhepunkte wie gemeinsame Touren mit den Idolen von Jethro Tull und Auftritte auf internationalen Festivals wie dem Metal-Mekka Wacken. Die Welt dreht sich weiter, die Bedingungen ändern sich, unter denen der Barde Musik macht. Er selbst ändert sich auch, aber der Eigensinn bleibt. „Als ich das Gefühl hatte, mich zu verbiegen, habe ich die Aberlour’s gegründet.“ Keltischer spielt die Band, sie ist flexibler, wie Adolphi mit der Erfahrung von 30 Jahren als Unternehmer sagt. „Mitteleuropa zieht Musiker aus aller Welt an, selbst kleine Clubs können tolle Bands holen.“ Was das Kulturangebot bereichert, bedeutet zugleich, „dass man sich als Künstler strecken muss, um in diesem Überangebot aufzufallen“.

Da draußen ist ja auch noch das Netz, sind die endlosen Möglichkeiten einer Art Unterhaltung, die es Menschen schwer macht, „den Wert realen Erlebens gegenüber medialer Wahrnehmung zu erkennen“, wie Adolphi meint. „Es geht mir selbst oft so, dass ich mit Hilfe von YouTube-Videos entscheide, ob ich eine Band anschaue.“

Draußen auf dem Eulenbergschen Hof in Elben ist die Hektik der Instant-Gesellschaft weg. Hier, in einem verwunschen wirkenden 60-Seelen-Dörfchen im Naturpark Unteres Saaletal, hat sich der passionierte Naturliebhaber, der schon mal quer durch Alaska gepaddelt ist, ein Refugium eingerichtet. Ein bisschen aus Liebhaberei, ein bisschen auch als wirtschaftliches Experiment, sagt Klaus Adolphi, der den magischen Platz regelmäßig öffentlich teilt, wenn er selbst Konzerte mit befreundeten Bands oder Künstlern veranstaltet, „die ich irgendwo mal kennengelernt habe“.

Die müssen nicht Musik machen wie Horch oder die Aberlour’s, nur gefallen müssen sie - dem Hausherren und letztlich auch dem Publikum, das zu den Elben-Konzerten mittlerweile zahlreich aus Eisleben, Halle und Leipzig anreist.

Die Konzerte mit großen Namen wie Rainald Grebe, Bobo oder Polkaholix sind kein Geheimtipp mehr, ganz im Gegenteil. Dennoch „übersteigen die Investitionen die Einnahmen immer noch vielfach“, so dass der wunderbare Flecken im Saaletal vorerst „ein Fass ohne Boden“ bleibt. Allerdings keines, das Klaus Adolphi mit Tränen füllen wird. „Wenn die Besucher jedes Jahr staunen und sich wohlfühlen und Künstler-Kollegen aus nah und fern so begeistert sind, dass sie am liebsten hier Urlaub machen würden, dann ist alles gut.“

Was er macht, macht Klaus Adolphi eben auch immer noch, weil es ihm Spaß macht. (mz)

Mehr unter: www.elbenkonzerte.de und www.aberlours.de

Klaus Adolphi ist mehr als nur der Kopf der Bands Horch und Aberlour’s.
Klaus Adolphi ist mehr als nur der Kopf der Bands Horch und Aberlour’s.
Fiedler Lizenz