Miniatur-Schnitzer Steve Tomashek Miniatur-Schnitzer Steve Tomashek: Lebendiges Holz

Halle (Saale)/MZ. - Halle ist eine stille Stadt“, sagt Steve Tomashek. Perfekt für ihn zum Arbeiten. Denn am liebsten hat es der 43-Jährige ganz leise, höchstens mit ein bisschen Musik im Hintergrund, wenn er seine Miniaturwelten aus Holz erschafft. Meist macht er sich in seinem Arbeitszimmer gleich morgens ans Werk, gerne auch mal nachts. In seinen Händen entstehen dann aus schlichten kleinen Holzstücken niedliche Tierfiguren mit großen Augen, manchmal auch Alltagsszenen mit Menschen oder eine Angela-Merkel-Nachbildung. Steve Tomashek, der aus der Stadt Winona im US-Bundesstaat Minnesota stammt und seit gut anderthalb Jahren mit seiner Freundin in Halle lebt, hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Er schnitzt.
Schnitzen in USA noch beliebt
Gerade ist er mal wieder für mehrere Wochen im Mittleren Westen der USA gewesen, um nicht nur seine Familie zu besuchen - sondern dort auch seine Arbeiten auf Märkten zu verkaufen und in Galerien auszustellen. Dort, wo er herkommt, hätten noch viele Leute als Hobby das Schnitzen, erzählt er. Und sein Zoo in Klein mit tausenden Protagonisten aus Holz hat viele Fans - nachdem der Künstler bereits seit Jahren dort regelmäßig tourt. Seine Werke fertigt Steve Tomashek nicht nur in kunstvoller Kleinarbeit an. Er fotografiert sie auch professionell und dreht kleine Animationsfilme mit ihnen, die er dann ins Internet stellt. Insofern, sagt er, beantworte sich die Frage, ob er da nicht einer Kunst nachgehe, die ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. „Ich habe einen Fuß in der alten und einen in der neuen Welt“, so Tomashek.
Bevor er dem Holz eine Figur entlockt, bringt er seine Idee auf Papier. Er macht sich Gedanken über die typischen Bewegungen der Tiere - seinem Lieblingsobjekt - und über ihre besonderen Merkmale, entscheidet sich dann für eine passende Pose. Der Entwurf kommt per Bleistift auf das Holzstück, als Vorlage für die Schnitzarbeit. Wobei Holz natürlich nicht gleich Holz ist - und nicht jede Sorte für jede Schnitzart geeignet. Nuss- und Obstbaumholz ist zum Beispiel härter als Lindenholz, das Tomashek am meisten verwendet - weil es gut zu bearbeiten und zudem nicht teuer ist. Auch Buchsbaum gehöre zu den harten Sorten, während wiederum Zedernholz weicher ist. Die geeigneten Materialien zu finden, sei gar nicht so leicht. Tomashek bestellt sie im Internet.
Schon als Kind gern geschnitzt
Und wie geht das mit dem Schnitzen? Der Künstler lässt sich nicht lange bitten, greift aus seinem Materialfundus nach einem Stück Holz, auf dem bereits eine Skizze zu sehen ist, setzt sich zum Schutz eine Fingerkappe - wie sie sonst in Büros zum Blättern verwendet wird - auf den rechten Daumen und holt den Korb mit Holzspänen unter seinem Arbeitstisch hervor. Dann geht es schnell: Mit seinem scharfen Schnitzmesser bringt er das Holz in geübten Bewegungen in Form. Da merkt man nicht nur, dass er diese Handwerkskunst bereits seit vielen Jahren beherrscht - schon als Kind schnitzte er leidenschaftlich gern. Man merkt auch, dass er früher einmal Lehrer war: Präzise erläutert Steve Tomashek die Arbeitsschritte. Und vergisst auch wichtige Details nicht: Dass sich ein Diamant-Wetzstein gut zum Schleifen eignet, wenn die Messerklinge beschädigt ist. Oder, wie die Klinge mit einem Lederriemen regelmäßig geschärft wird.
Steve Tomashek „Fang an zu schnitzen“, Landwirtschaftsverlag, Box mit Buch (112 Seiten), Messer und Fingerhut, 17,95 Euro
Wie begeistert Steve Tomashek vom Schnitzen ist, macht er auch in einem Buch deutlich, dass kürzlich in Deutschland erschienen ist: In „Fang an zu schnitzen“ will er den Funken auch zu anderen überspringen lassen. Darin beschreibt Tomashek nicht nur, was es fürs Schnitzen braucht, und verschiedene Techniken im Umgang mit dem Messer. Er zeigt in mehr als zwanzig kleinen Projekten auch konkret, wie das geht - von der Zeichnung bis zur Figur. Anfängern empfiehlt er, zunächst an Gemüse oder Seife zu üben, bevor das typische Schnitzmaterial zum Einsatz kommt. Wer ein Möhrenkaninchen oder einen Rübenbären hinbekommt, kann es schließlich auch mit Holz versuchen.
Es ist aber nicht die Form allein, die Steve Tomasheks Figuren zu dem macht, was sie sind: amüsante Miniaturen, die stets auch eine kleine Geschichte erzählen. Es ist auch die millimetergenaue Bemalung. Mit feinen Pinselstrichen, leuchtenden Acrylfarben und viel Geduld gibt er ihnen einen ganz eigenen Charakter. Er achtet auf jedes Detail. Das wird zum Beispiel bei seiner Vogel-Sammlung deutlich: In einer Kiste hat er die gut zwei Zentimeter großen Exemplare, die er gleich in vielfacher Ausführung angefertigt hat, je nach Art sortiert. Haubenmeisen sind genauso darunter wie Blaumeisen, Eichelhäher genauso wie Buchfinken - und alle kommen ganz wie die Originale aus der Natur daher. Um ein derart akkurates Ergebnis erzielen zu können, wendet der Künstler folgende Technik an: Er befestigt die Figur an einem Zahnstocher, so dass er die Schnitzerei drehen und von allen Seiten bemalen kann, ohne sie zu berühren.
Bis die Arbeiten fertig sind, braucht es seine Zeit. Während eine Mini-Maus von knapp einem Zentimeter laut Tomashek in rund zweieinhalb Stunden fertig ist, habe er für seine Box, in der er ein ganzes geschnitztes Korallenriff präsentiert, etwa einen Monat gebraucht. „So etwas Aufwendiges mache ich gerne, aber nicht so oft“, erzählt er.
Ein Faible für die kleinen Dinge habe er schon immer gehabt, sagt Tomashek. „In der Miniatur kann ich viele Informationen in einem kleinen Stück konzentrieren“, erklärt er seine Vorliebe fürs Kleinformat. Außerdem sei es ja auch ziemlich praktisch: Er braucht nicht viel Platz zum Arbeiten und für die Lagerung der Kunstwerke. Er kann sie unkompliziert an Kunden verschicken und bei Ausstellungen besonders viele Werke auf kleinem Raum zeigen. Außerdem kann er beste Materialien und Farben verwenden - der Verbrauch ist ja gering. Und warum bevorzugt er Tiere? „Die verschiedenen Formen sind interessant für mich als Künstler“, sagt der Holzschnitzer. Außerdem seien die Tiere durch die besondere Beziehung der Menschen zu ihnen auch eine Möglichkeit, andere Kulturen zu verstehen.
Auf der Suche nach Verkaufsorten
Es war Mitte der 90er Jahre und Steve Tomashek Mitte zwanzig, als er entschied, seinen Lehrer-Job aufzugeben und sich beruflich allein auf die Kunst zu konzentrieren. Anderthalb Jahre lang war der Hobby-Schnitzer, der Geschichte und Politik auf Lehramt studiert hat, damals Lehrer gewesen. „In den Sommern habe ich eigentlich immer geschnitzt“, erinnert er sich. Dass er sich die Handwerkskunst schon als Kind selbst beibrachte, ist nicht weiter verwunderlich - bei einem Vater, der als Holz- und Metallkünstler gearbeitet hat. Tomashek, der aus einer katholischen Familie stammt und das jüngste von sieben Geschwistern ist, nutzte das Können schon früh: „Als Kind habe ich viele kleine Vögel als Geschenk für meine Oma geschnitzt“, erzählt er.
Anfangs sei es nicht einfach gewesen, mit dem Handwerk Geld zu verdienen. Inzwischen sei das deutlich leichter - gerade in den USA, wo er regelmäßig zugegen ist und sich bereits einen Namen gemacht hat. In Deutschland ist er noch dabei, passende Verkaufsorte zu entdecken. Zudem verkauft Tomashek, der Jazz wie auch den Kleingarten zu seinen Leidenschaften in der Freizeit zählt, seine Werke längst auch im Internet. Die Deutschen, hat er festgestellt, kauften nicht so impulsiv wie die Amerikaner. Und: „Sie sammeln gerne Katzen, Eulen und Schildkröten.“
Steve Tomasheks Arbeit im Internet: www.ministeve.com


