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Mehr als bloßes Gedenken

Von Martina Springer 20.04.2008, 16:15

Halle/MZ. - Als die Volkshochschule Halle im vorigen Jahr den Namen "Adolf Reichwein" erhielt, war das mehr als die Umsetzung eines Stadtratsbeschlusses, mehr auch als ein bloßer feierlicher Akt. "Wir bekamen Kontakt zum Adolf-Reichwein-Verein und halten ihn seitdem aufrecht. Unter anderem mit dem Ergebnis, dass dessen Jahrestagung diesmal in Halle stattfindet und wir eine Ausstellung eröffnen - in Anwesenheit aller vier Reichwein-Kinder", sagt Sabine Stelzner, die amtierende Leiterin der Volkshochschule.

Es gibt einen engen Bezug zwischen Reichwein und der Stadt: Im Jahr seines Eintritts in die SPD, 1930, wird er als Professor für Staatsbürgerkunde und Geschichte an die neu gegründete Pädagogische Hochschule in Halle berufen, lernt dort auch seine zweite Frau Rosemarie Pallat kennen. Bis 1933 kann der Reformpädagoge, der sich stark für die Demokratisierung des Bildungssystems einsetzte, bleiben, dann wird er aus politischen

Gründen entlassen. Während seiner dreijährigen Tätigkeit in Halle, weiß Sabine Stelzner, hat Adolf Reichwein an insgesamt sechs Abenden auch Vorträge an der Volkshochschule gehalten.

Stelzner hält die Verbindung zu den Reichwein-Kindern, zu Prof. Roland Reichwein, Renate Martin-Reichwein, Kathrin Pesch-Reichwein und insbesondere zu der jüngsten, 1941 geborenen Tochter Sabine Reichwein. Diese betont, dass die Freude über die Namensverleihung nicht allein auf der halleschen Seite gelegen habe. "Wir Kinder sind stolz, dass die Volkshochschule der Stadt als erste und bisher einzige in Deutschland den Namen unseres Vaters trägt."

Adolf Reichwein gehört seit 1940 dem Kreisauer Kreis an und hält Kontakt zu Teilen des kommunistischen Widerstands. Seine Familie übersiedelt nach der Zerstörung ihres Berliner Wohnhauses durch Bombenangriffe im Jahr 1943 auf das Gut Kreisau von Helmuth Graf von Moltke. Sabine Reichwein sagt im Rückblick: "Meine ersten Erinnerungen an meinen Vater sind zugleich die Erinnerungen an Kreisau. Denn hier wurde unsere Existenz gerettet."

Sie sei froh, dass sie frühe Kindheitsjahre in Kreisau verbringen durfte. "In friedlicher Umgebung, ohne Bombenangriffe, mit genügend Essen auf dem Tisch." Ihren dritten Geburtstag habe sie auf dem Gut gefeiert. "Meinen 67. werde ich wieder in Kreisau feiern."

Doch nicht nur das: Als Zeitzeugin werde sie in Kreisau Gespräche führen und auch einen Film über ihren Vater zeigen. Die Erinnerungen an ihn, der 1944 vom so genannten Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und in Plötzensee hingerichtet wurde, würden immer wichtiger "je älter ich werde", sagt Sabine Reichwein. Zugleich habe sie im Laufe ihres Lebens gelernt, sich aus dem Schatten des Vaters zu befreien und doch immer mit seiner Arbeit zu befassen.

Die Ausstellung in der Volkshochschule, Diesterwegstraße 37, wird bis Mitte Mai gezeigt: Mo-Do 8-18 Uhr, Fr 8-13 Uhr.