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Von Landsberg in die USA Maschinenbau Wirth in Landsberg: Warum eine kleine Firma bei Halle an Apples Mega-Zentrale mitgebaut hat

Von Silvia Zöller 16.11.2017, 10:15
Hergestellt in Landsberg, im Einsatz in Cupertino bei Apple: Vakuum-Hebegeräte für den Einbau der Glaselemente.
Hergestellt in Landsberg, im Einsatz in Cupertino bei Apple: Vakuum-Hebegeräte für den Einbau der Glaselemente. Wirth

Landsberg - Der Gebäudekomplex des Maschinenbauunternehmens Wirth im Landsberger Gewerbegebiet ist recht überschaubar. Aber die Technik, die hier in der kleinen Werkhalle hergestellt wird, kommt weltweit zum Einsatz. So bei dem neuen Firmensitzes von Apple im kalifornischen Cupertino (USA), wo Geräte aus Landsberg den Einbau der riesigen Glasteile überhaupt erst ermöglicht haben.

Landsberger Maschinenbau-Firma Wirth hat an der modernen Apple-Zentrale in Cupertino mitgebaut

„Oktopus“ heißt die Lösung aus Landsberg, mit der selbst die bis zu sechs Tonnen schweren Glaselemente des hypermodernen Apple-Rundbaus gehoben, gedreht und eingebaut werden konnten. Das Ganze funktioniert mit Vakuumtechnik. „Seit 1992 bauen wir Vakuum-Hebegeräte für den Einsatz auf Baustellen oder in Produktionshallen“, erläutert Geschäftsführer Holger Schadwinkel.

Damals sei das Unternehmen deutschlandweit das einzige gewesen, das großformatige Dach- und Fassadenelemente per Vakuumtechnik bewegen konnten. „Vorher war dies nur mechanisch möglich, das heißt, dass Löcher für die Aufhängung in die Teile gebohrt werden mussten.“ 2001 wurde diese Technik dann für Glas weiterentwickelt. Riesige Saugnäpfe halten die Scheiben fest, Motoren bewegen die Halterung, auf Wunsch auch funkferngesteuert.

Megabau für Apple-Zentrale: Wie der kleiner Landsberger Betrieb zu der Chance kam

Bauingenieur Schadwinkel hat diese Technik für Glas weiterentwickelt. Erst für Elemente mit einem Gewicht von bis zu 1.000 Kilo. Dann aber landete 2007 bei dem 57-Jährigen die Anfrage des Glasherstellers Seele aus Gersthofen bei Augsburg (Bayern): Für die Montage einer Ganzglastreppe auf einer Messe benötigte das Unternehmen eine Hebemaschine, die auch 1.600 Kilo Gewicht schafft. Kein Problem für das Landsberger Unternehmen: „Wir machen maßgeschneiderte Geräte für spezielle Anforderungen.“ Und ein wichtiger neuer Geschäftspartner war gewonnen: Denn das bayrische Unternehmen hatte sich für die Herstellung der Glaselemente für die Apple-Zentrale beworben und den Zuschlag erhalten. Dafür orderte Seele zehn weitere Vakuum-Hebegeräte aus Landsberg, die auf Gewichte von bis zu neun Tonnen ausgelegt waren.

Megaprojekt Apple-Zentrale: Hebekräne aus Landsberg waren zwei Jahre in Kalifornien im Einsatz

„Insofern ist Apple unser größter Endkunde, auch wenn er nicht direkt die Geräte gekauft hat“, sagt Schadwinkel. Die riesigen Hebekräne, die noch mit großen Ausgleichgewichten für die tonnenschweren Scheiben versehen sind, wurden dann von Landsberg aus in Container verpackt und per Schiff nach Kalifornien versandt. Zwei Jahre lang, von 2015 bis Anfang 2017 waren sie dort im Einsatz. Zur Wartung mussten Techniker aus Landsberg in dieser Zeit alle paar Monate anreisen. Das war kein einfacher Job für die Kollegen, berichtet Schadwinkel. Denn die Sicherungsvorkehrungen auf der Mega-Baustelle waren so enorm, dass die Mitarbeiter aller Firmen sehr lange Wartezeiten an den Eingangskontrollen auf sich nehmen mussten.

Dennoch: Service ist ein Muss bei Wirth. Auf Baustellen in Singapur, in China, Australien, Neuseeland, Kanada oder Süd-Korea kommen die Vakuum-Hebegeräte aus Landsberg zum Einsatz. „Gibt es dort Probleme, suchen wir rund um die Uhr per Telefon nach Lösungen“, sagt der Geschäftsführer. Sind Ersatzteile notwendig, werden sie umgehend per Spezialversand über Nacht verschickt - oder die Techniker reisen gleich hinterher und helfen vor Ort weiter. „Man kann keine Zeitverzögerung in Kauf nehmen“, so Schadwinkel.

50-Mann-Unternehmen aus Landsberg als Global Player

So hat sich das 50-Mann-Unternehmen zu einem global player entwickelt. Schadwinkel formuliert es etwas bescheidener: „Es ist eine Marktlücke, die wir ausfüllen.“ 95 Prozent der Teile, die für den Bau der „Oktopusse“ benötigt werden, stellt das Unternehmen selbst her - nur Motoren, Schläuche, Pumpen und einige weitere Teile kommen von Zulieferern.

Am Ende kosten dann die ganz großen Vakuum-Hebegeräte made in Landsberg „nur“ 100.000 Euro - aber der Wert nur einer einzelnen der riesigen tonnenschweren Glaselemente kann weit darüber liegen. Tatsächlich werden diese XXL-Oktopusse, wie sie in Cupertino verwendet wurden, aber nur drei- oder viermal pro Jahr geordert, sagt Schadwinkel. Das Hauptprodukt sind und bleiben die kleinen Seriengeräte, die dennoch immer auf die Wünsche der Kunden variiert werden - sogar, was die Farbgestaltung betrifft. „Die verkaufen wir rund 200 Mal pro Jahr.“ (mz)

Geschäftsführer Holger Schadwinkel mit einem „Oktopus“.
Geschäftsführer Holger Schadwinkel mit einem „Oktopus“.
Holger John