1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Marktkirche: Marktkirche in Halle (Saale): Wie die schiefen Blauen Türme gesichert werden

Marktkirche Marktkirche in Halle (Saale): Wie die schiefen Blauen Türme gesichert werden

Von Katja Pausch 10.07.2018, 05:00
Blick in den Jahrhunderte alten hölzernen Dachstuhl zwischen Dach und Gewölbe der Marktkirche
Blick in den Jahrhunderte alten hölzernen Dachstuhl zwischen Dach und Gewölbe der Marktkirche Silvio Kison

Halle - „Schauen Sie mal genau hin.“ Jörg Kowalski steht an der Rückseite der Marktkirche und streckt den Arm aus, zeigt nach oben in Richtung Blaue Türme. Und tatsächlich: Die Schräglage des südlichen Turms ist gut zu erkennen, an einem Riss im Mauerwerk.

Bedenkliche 2,60 Meter neigt sich der südliche Turm von der Kirche weg in Richtung Hallmarktstufen, sein „Zwillingsbruder“ immerhin noch mehr als anderthalb Meter - und das schon ziemlich lange. Seit Ende des 18. Jahrhunderts, um genau zu sein. Gefährlich? „Nein“, sagt Kowalski, doch unternehmen müsse man etwas, um die Stabilität nicht nur der Türme, sondern des Gewölbes der Kirche zu gewährleisten.

„Die Türme driften wegen einer Baugrundschwäche ab - die Folge sind Gewölbeschäden im Innern der Marktkirche“, sagt der Architekt, in dessen Händen seit 1995 die stufenweise Sanierung des sakralen Bauwerks bis 2019 liegt.

20 Meter hohes Gerüst am Südturm der Marktkirche

Nach Dach, Fassade und der Sanierung der marktseitigen Hausmannstürme sind nun die Blauen Türme dran - mal wieder. Seit Bestehen der Kirche, die aus den beiden Vorgängerkirchen St. Gertruden (Hallmarkt) und St. Marien (Markt) entstanden ist und 1554 vollendet wurde, werde an ihr repariert, so Kowalski. „Jede zweite Generation hat was an der Kirche gemacht, um sie zu sichern“. Nun also sei unsere dran.

Ein mehr als 20 Meter hohes Gerüst am Südturm ermöglicht den Aufstieg außerhalb der Kirche hinauf bis unter den hölzernen Dachstuhl der Kirche - die steinerne Wendeltreppe im Innern ist zu eng für Mensch und Material. Oft mehrmals am Tag klettern Kowalski und die Zimmerer des Bauunternehmens Friedrich aus Herzberg die metallenen Treppen hinauf.

Zeit für die herrliche Aussicht über Hallmarkt und Neustadt bleibt nicht, doch einer brütenden Taube, die aller Taubenabwehr getrotzt und in schwindelerregender Höhe ihr Nest gebaut hat, schenken die Bauleute stets einen Blick, bevor sie im Eingang unterhalb der Turmhaube verschwinden.

„Es ist spannend, zu sehen, wie Bauleute vor Jahrhunderten gearbeitet haben“

Am Jahrhunderte alten Gebälk, das aus der Spätgotik stammt, verschrauben nun die Zimmerer meterlange Holzbalken in mehreren Lagen. „Das setzt den Zugkräften des Turms genügend entgegen“, erklärt Zimmerer Kay Friedrich. Mehrere Tage sind seine Kollegen im Dachstuhl am Arbeiten, bevor sie anschließend im Innern der Kirche auf hohen Gerüsten stehend das Gewölbe sichern.

„Es ist spannend, zu sehen, wie Bauleute vor Jahrhunderten gearbeitet haben - eigentlich hat sich bis heute nicht viel geändert“, so Kowalski. Dann, zurück aus großer Höhe, zeigt der Experte im hinteren, abgesperrten Teil der Marktkirche doch noch etwas sehr Neuzeitliches am Bau: In einem hölzernen, verglasten Einbau steht hochsensible Messtechnik. Dort registriert die Bauhaus-Universität Weimar seit über 20 Jahren die Neigung der Türme - elektronisch. Sicherheitshalber. (mz)

Sichern des Gewölbes im Kirchenschiff
Sichern des Gewölbes im Kirchenschiff
Silvio Kison
Die Zimmerer Norbert Richter (l.) und Sven Richter verbohren Sicherungsbalken.
Die Zimmerer Norbert Richter (l.) und Sven Richter verbohren Sicherungsbalken.
Silvio Kison
Gerüst am südlichen Blauen Turm
Gerüst am südlichen Blauen Turm
Silvio Kison