Lyrik-CD Lyrik-CD: Der alte Mann und der Dichter
Halle (Saale)/MZ. - Das ist wohl der Traum eines jeden unbekannten Poeten: Die eigenen Verse mal von einer allseits bekannten Stimme gesprochen zu hören. Von einer Stimme, die man auch noch blind erkennt. Diesen Traum hat sich der hallesche Dichter Marschel Schöne gerade erfüllt. Dem 34-Jährigen ist nämlich das Kunststück gelungen, mit Rolf Hoppe einen der wenigen wirklich berühmten ostdeutschen Schauspieler für sein CD-Projekt "Frühlingslieder" zu gewinnen.
Und das ist nicht das einzige Kunststück an der Sache. Die Gedichte selbst sind - jedes für sich - auch eins. Sonst hätte Hoppe ihnen wohl auch kaum seine Stimme geliehen. Wunderbar aus der Zeit gefallen wirkt, was Schöne da zu Papier gebracht hat. Fast schon altmodisch romantisch und naturverbunden sind die Verse, die sich natürlich nicht lange mit dem Frühling der Natur aufhalten, sondern sich auf kürzestem Wege die menschlichen Frühlingsgefühle vorknöpfen: "Der junge Trieb / er fragt nicht was er soll und kann / sprießt unverzagt ins Blau hinein", so nehmen die Verse Anlauf, um dem jungen Trieb dann auch noch zu erlauben, sich "das Leben kugelrund ins Herz" zu saugen.
Das liest sich gut - oder läse, so würde dieser Dichter, der die starken Konjunktivbildungen noch schätzt, wohl schreiben. Denn seine Zeilen von junger Liebe soll man hier ja vor allem hören. Und das ist nun der besondere Reiz: Man hört sie im Geflüster eines alten Mannes, der gerade seinen 80. Geburtstag hinter sich hat. Doch zum Sound des Alters kommt bei Rolf Hoppe noch etwas anderes Besonderes. Es ist die Assoziation zu jenem listigen Schurken, den Hoppe so gern, oft und genial gespielt hat. Der kann man sich nämlich beim Klang dieser Stimme kaum entziehen. Und das bei Liebesliedern?
Passt schon. Denn so schwingen nun auch all die Gefahren oder gar Abgründe mit, ohne die die Liebe ja meistens nicht zu haben ist. Oder jene weniger lieblichen Gefühle, die die Liebe nach ihrem Ende zu beerben pflegen: "Dass ihr Leben nun so bunt, daran gehst du jetzt zugrund'", reimt etwa Marschel Schöne - und Rolf Hoppe öffnet dazu stimmlich einen wahren Höllenschlund an Herzeleid.
Auch der Autor der Verse versteht sich offenbar auf Abgründe - schon seines ursprünglichen Amtes wegen. Marschel Schöne, der einen ähnlich klingenden Vornamen durch seinen Spitznamen ersetzte, ist studierter Kriminologie, hat sich aber mittlerweile auch beruflich weitgehend künstlerischen und kulturellen Ambitionen zugewandt. Er hat bereits mehrere Vereine gegründet und ist dabei, eine Konzertagentur aufzubauen. In Halle betreibt er gelegentlich auch noch eine halb öffentliche Bühne, den "Roten Salon" in der Mozartstraße. Dort treten immer mal wieder so bekannte Leute wie Wiglaf Droste oder die Gruppe "Das blaue Einhorn" auf.
Auch Rolf Hoppe war dort zu Gast - und hat dabei Marschel Schönes "Frühlingslieder" eingesprochen, die es nun auch auf CD zu kaufen gibt. Vielleicht gerade zur rechten Zeit, denn ein paar Verse Frühling bei so vielen frostigen Graden Winter können eigentlich nicht schaden.
Die CD gibt es im Buchladen Jacobi & Müller (Harz 2).