Leichtathletin vom SV Halle Leichtathletin vom SV Halle: Nadine Müller startet mit einem Sieg in die EM-Saison

Halle (Saale) - Mittelprächtig war’s. Und damit meint Nadine Müller nicht das Wetter. Das in Halle kam so saumäßig daher wie bei ihrem ersten Wettkampf der Saison letzten Sonntag in Portugal. Wenn es nass und kalt ist, jagt man eigentlich keinen Hund vor die Tür. So heißt es. Die seit Jahren beste deutsche Diskuswerferin entschied sich also für Kraftkreistraining unterm Hallendach.
Seilspringen. Liegestütze. Klimmzüge. An guten Tagen, sagt Nadine Müller, schafft sie von dieser allseits verhassten Übung zehn am Stück. „Diesmal waren es immer so fünf, sechs Klimmzüge, allerdings in Serie.“ Woraus sie schlussfolgert, dass ihre Tagesform gar nicht so schlecht ist, auch nicht herausragend. Mittelprächtig eben.
Regeneration nach Wettkampf
Fest eingeplant hat Nadine Müller die Halleschen Werfertage am 26. und 27. Mai in den heimischen Brandbergen. Dort hatte die Athletin vom SV Halle im Vorjahr mit 65,76 Metern gewonnen.
Ihren ersten großen internationalen Wettkampf der Saison absolviert die WM-Zweite von 2015 und Bronzemedaillengewinnerin von 2011 am 4. Mai in Doha, der Auftaktstation der Diamond-League-Serie. Höhepunkt des Jahres ist die EM ab 6. August in Berlin.
Sie erzählt dies ganz unaufgeregt. Das Training, das sie ganz allein gerade an diesem Freitagvormittag absolviert hat, fiel eh mehr in die Kategorie aktive Erholung. Kugelstoßerin Sara Gambetta und Nachwuchsmann Merten Howe aus ihrer Trainingsgruppe fehlten wegen eines Praktikums für ihr Studium, und auch Hammerwerferin Susen Küster war anderweitig unterwegs, so dass sich ihrer aller Trainer René Sack für ein paar Urlaubstage ausklinken konnte. Kein Problem. Mit ihren 32 Jahren und der ganzen Routine weiß Nadine Müller ohnehin, was im Nachgang eines Wettkampfes zur Regeneration zu tun und zu lassen ist.
Bei den Winterwurf Challenge am Sonntag in Leiria hatte sie den Diskus bei Nässe, Kälte und heftigem Wind 60,42 Meter weit geworfen und gewonnen. „Ich hatte schon gehofft, dass es 63 Meter werden und die wären wohl auch unter normalen Umständen drin gewesen“, sagt die Athletin mit einer Bestweite von 68,89 Metern ganz nüchtern über ihren Saisoneinstand. Aber die Gefahr, sich zu verletzen, war einfach zu groß. Nachdem sie so sorgenfrei durch das Wintertraining gekommen war, wollte sie das Risiko auf ein Minimum reduzieren. Zur Erinnerung: Im letzten Jahr hatte ihr eine Fußverletzung sechs Wochen vor der Weltmeisterschaft in London eine normale finale Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt verhagelt. Platz sechs war nicht wirklich das, was sich die zweifache WM-Medaillengewinnerin erhofft hatte.
Natürlich sei sie darüber maßlos enttäuscht gewesen. „Früher“, sagt Nadine Müller, „hätte ich mich danach wahrscheinlich eine Woche lang verkrochen.“ Die Aufarbeitung viel Kraft und Zeit gekostet. Doch im Laufe der Jahre hat sie gelernt, mit solchen Querschlägen schneller fertig zu werden. „Mein Ehrgeiz hat deshalb nicht gelitten, aber ich weiß das alles mittlerweile gut einzuordnen.“
Auch, was diese 60,42 Meter tatsächlich wert sind. Dass sie die EM-Norm erfüllt hat - geschenkt. Es werden wohl noch einige ihrer nationalen Konkurrentinnen die nicht allzu hohe Hürde von nur 60 Metern glatt nehmen. Will sie eine von den drei Diskuswerferinnen sein, die bei der EM im August in Berlin im deutschen Aufgebot stehen, wird sie wohl noch einige Meter drauf packen müssen.
Neue Trainingseinteilung
Nadine Müller ist zuversichtlich, das zu packen. Und hat dafür auch eine Änderung mit ihrem Coach gewagt. Hatten sich in ihrem Trainingsplan früher sechs Wochen Kraft, sechs Wochen Wurf und dann sechs Wochen spezielle Kraft inklusive Techniktraining abgewechselt, so erfolgt der Wechsel der einzelnen Phasen nun schon jeweils nach zwei Wochen. Die Änderung der Periodisierung soll neue Reize setzen.
Ziel: Olympia 2020
Und es gibt noch etwas Neues, zweifellos Reizvolles. Am 27. März fliegt Nadine Müller mit all den anderen deutschen Diskus-Größen wie Robert Harting zum Wurftraining für zweieinhalb Wochen in das kalifornische Chula Vista. Dort herrschen erstklassige Bedingungen für Leichtathleten, neben Sommer und Sonne satt gibt es in der Trainingsstätte gleich mehrere Wurfringe je nach Windrichtung zur Auswahl. Die Stärksten der Welt trainieren gern dort - und nun auch erstmals Nadine Müller.
Die Chula-Vista-Debütantin sieht in ihrem Alter übrigens viele Vorteile, auch wenn sie mittlerweile mehr Zeit braucht zur Erholung nach harten Trainings- und Wettkampfphasen.
Die Erfahrung, ihre Abgeklärtheit machen sich bezahlt. Und: „Solange mir die Jungen nicht das Leben schwer machen und ich mich nicht immer nur auf den Plätzen vier und fünf wiederfinde, werde ich weitermachen“, sagt die Bundespolizistin auch schon mit Blick auf Olympia 2020.
Das aber ist noch Zukunftsmusik. Erst einmal freut sie sich auf das anstehende Trainingslager. „Diskuswerfen ist nun mal eine Sommersportart“, sagt Nadine Müller. Bis dahin heißt es, aus den winterlichen Bedingungen das Beste zu machen. So wie letzten Sonntag in Leiria.
(mz)
