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Leichtathletik Leichtathletik: Kommt Nadine Müller zurück nach Halle?

Von Christoph Karpe 13.11.2015, 20:25
Nadine Müller bei der WM in Peking, wo sie Bronze gewann.
Nadine Müller bei der WM in Peking, wo sie Bronze gewann. dpa Lizenz

Halle (Saale) - In der deutschen Leichtathletik deutet sich ein spektakulärer Vereins-Wechsel an: die Rückkehr von Nadine Müller nach Halle. „Wir haben intensiv miteinander gesprochen. Noch ist die Sache in der Schwebe. Die Karten liegen aber auf dem Tisch. In der nächsten Woche würden wir gern die Entscheidung haben“, sagt Ingo Michalak, der Hauptgeschäftsführer des SV Halle, zum Verhandlungsstand mit der WM-Dritten im Diskuswurf.

Die „Sache“ bringt aber einiges an Brisanz mit sich. Auf verschiedenen Ebenen. Erst vor einem Jahr hatte Müller, die in einer Woche 30 wird, ihren Stammverein, die Halleschen Leichtathletik-Freunde (HLF) verlassen und war schlagzeilenträchtig ins benachbarte Leipzig zum DHfK-Klub gewechselt. Wegen der besseren Bedingungen, so ihre damalige Begründung, die in Halle auf Unverständnis stieß. Erst recht, weil Nadine Müller unverändert an ihrem jahrelangen Stamm-Domizil an den halleschen Brandbergen weiter trainierte. Hier holte sie sich die Form für ihr Comeback in der absoluten Weltspitze.

Ein Angebot, "das bestimmt nicht unsere Rahmenbedingungen sprengt"

Dass nun Leipzig nach den WM-Tagen von Peking den Medaillen-Lorbeer erntete, stieß den Sportmachern in Sachsen-Anhalt sauer auf. „Wir wollen, dass unsere Aushängeschilder auch für unsere Vereine starten“, sagt Hardy Gnewuch, Chef des Olympiastützpunktes für den Bereich Halle. „Und als Nadine dann auf uns zugekommen ist, waren wir natürlich nicht abgeneigt, die Bedingungen abzuklopfen.“ Jetzt spricht Gnewuch auch in seiner Funktion als Abteilungsleiter der Leichtathleten beim SV Halle. Also haben die Hallenser Partner gesucht, gefunden und der Werferin ein Angebot gemacht, „das bestimmt nicht unsere Rahmenbedingungen sprengt, das aber annehmbar ist“, ergänzt Michalak.

Top-Aushängeschild soll der WM-Dritte im Zehnkampf, Rico Freimuth, bleiben. Er habe Halle schließlich die Treue gehalten.

Was auffällt: Nadine Müller, die gestern nicht erreichbar war, möchte zum SV Halle und nicht zu ihrem Ex-Klub, den Halleschen Leichtathletik-Freunden. Das hat einen einfachen Grund: Am 21. Oktober verkündeten die HLF, dass sie sich künftig nur noch auf Nachwuchs- und Breitensport konzentrieren wollen. Man empfahl den eigenen Aktiven: Wer Leistungssport betreiben möchte, solle doch zum SV Halle wechseln. Damit sind die „Grünen“, so die Vereinsfarben des Sportvereins, mittlerweile die einzige Adresse in Halle für ambitionierte Leichtathleten.

Das hat weitreichende Folgen über den Fall Nadine Müller hinaus. Sie wird, sofern sie nicht doch noch abspringt, nicht die einzige Neue beim SV Halle bleiben. Ausgerechnet von der DHfK wechseln weitere Athleten zurück, die die HLF erst 2014 verlassen hatten. „Wir sind uns mit Kugelstoßerin Josephine Terlecki und auch Hammerwerferin Susen Küster einig. Sie werden ab 2015 für den SV Halle starten“, sagt Michalak. Direkt von den HLF kommt Diskuswerfer Sebastian Scheffel dazu.

Interessant: Der Trainer der vier Wurfspezialisten ist René Sack, Vizepräsident der HLF, die in Sachen Leistungssport die weiße Fahne gehisst haben. „Wir wollen den Weg frei machen für einen Neuanfang in Halles Leichtathletik“, sagt HLF-Vizepräsident Falk Ritschel und dementiert heftig, dass der Rückzug finanzielle Gründe habe.

Gespräche über Fusion in Sackgasse geendet

Hintergrund: Jahrelang hatten beide halleschen Vereine über eine Fusion verhandelt. Die Gespräche endeten vor wenigen Wochen wieder in einer Sackgasse. Die Variante, die HLF als eigenständigen Verein im mit 3 542 Mitgliedern größten Klub in Sachsen-Anhalt anzugliedern, fand beim SV Halle keine Gegenliebe. Schließlich hätten dann die eigenen Leichtathleten plötzlich in blauen Trikots der HLF starten sollen - mit einem kleinen SVH-Logo. Also platzte das Projekt. „Es gibt aber nun keinen Grund für uns, zu feiern, oder schmutzige Wäsche zu waschen“, sagt Hardy Gnewuch. Gewinner-Jubel ist da nicht herauszuhören.

Denn es deutet sich ein Problem an. „Unser Schwerpunkt liegt im Mehrkampf, im Sprint und Sprung. Wir hätten gar nicht die Trainer und Übungsleiter, um nun auch Werfer auszubilden“, sagt SV-Hauptgeschäftsführer Michalak. „Wir sind nicht in der Lage, 200 Nachwuchssportler aufzunehmen“, betont auch Gnewuch.

Heißt: Die Coaches der HLF werden weiterhin Talente ausbilden, die Top-Athleten bleiben bei Bundesstützpunkt-Trainer Sack. Soviel ändert sich in nächster Zeit also nicht. Und dass nun die HLF-Athleten in Scharen die Farben wechseln, dem ist aktuell auch nicht so. „Noch hat außer Scheffel niemand bei uns angeklopft“, sagt Michalak.

Das grundsätzliche Ziel der Hallenser ist klar: Neben Freimuth würden sie mit Nadine Müller eine heiße Medaillen-Kandidatin für die Olympischen Sommerspiele 2016 gewinnen. Josephine Terlecki soll für den SV Halle nicht nur die Kugel stoßen, sondern im Rahmen ihres Studiums auch den Bereich Gesundheitssport aufbauen. Küster (21) und Scheffel (22) gelten als Medaillen-Kandidaten für internationale U-23-Wettbewerbe.

Doch künftig werden in Halle, einem Traditionsstandort für den Wurf, kaum noch starke Talente bis zu Spitzenathleten ausgebildet. „Es kann sein, dass wir dann 16-jährigen Werfern die Empfehlung geben müssen, nach Magdeburg oder Leipzig zu gehen. Wir haben nicht die Strukturen dafür“, sagt Michalak zu den Folgen der geplatzten Eingliederung der HLF.

Und was wird nun aus den traditionsreichen Werfertagen, einem der wichtigsten Spezial-Meetings Deutschlands? Die wollen die HLF, bei denen seit dem Jahr 2000 die Organisation liegt, weiterhin ausrichten. „Es ist gut so, dass die erhalten bleiben“, sagt Hardy Gnewuch in Tagen, wo so vieles neu ist. (mz)