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Kunstmuseum Moritzburg Kunstmuseum Moritzburg: Bilder für die Ewigkeit

08.01.2017, 07:00
Thomas Severin, Mitarbeiter der Digitalisierung und Herrscher über die Reproanlage.
Thomas Severin, Mitarbeiter der Digitalisierung und Herrscher über die Reproanlage. Andreas Stedtler

Auf den ersten Blick wirkt der Arbeitsplatz von Thomas Severin unspektakulär: ein paar Monitore, ein Schreibtisch. Aber da ist noch dieser große Tisch, flankiert an den Stirnseiten von zwei riesenhaften rechteckigen Scheinwerfern. Über dem Möbel ist eine altertümlich anmutende Balg-Kamera verankert, die ihr Objektiv auf die Tischplatte richtet.

Von Haus aus ist Thomas Severin Historiker. Aber hier, im Kunstmuseum Moritzburg in Halle, ist er der Mann am Scanner. Genau das nämlich ist der altmodisch wirkende Fotoapparat - eine hochmoderne Scanner-Kamera für hochauflösende Aufnahmen.

Severin fotografiert damit Grafiken und Fotografien aus der umfangreichen Sammlung der Moritzburg ab, damit die Werke später - für jedermann zugänglich - ins Internet gestellt werden können.

Kunstmuseum Moritzburg: „Zeigen, was man sonst nicht sehen kann“

Das Museum ist dabei, auf diese Weise seine Bestände zu digitalisieren. Im Jahr 2012 fing es mit einem Pilotprojekt an, mittlerweile ist ein eigenes kleines Referat daraus geworden. Lina Aßmann leitet es.

Ein Mammutprojekt sei das, sagt die Kunsthistorikerin. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht das: Zum Bestand der Moritzburg, Sammlungsschwerpunkt Klassische Moderne, zählen rund 250.000 Objekte - Grafiken, Fotografien, Gemälde, Plastiken, Münzen, Medaillen, Kunsthandwerk.

Die Digitalisierung soll es ermöglichen, via Internet auch Werke zu zeigen, die etwa aus konservatorischen Gründen nicht mehr ausgestellt werden können und deswegen in den Depots schlummern.

„Wir zeigen die Schätze, die man sonst nicht sehen kann“, sagt Museumsdirektor Thomas Bauer-Friedrich.  Allerdings gilt das nur mit Einschränkungen.

Digitalisieren im Kunstmuseum Moritzburg: In kleinen Schritten geht es voran

Digitalisiert werden soll alles, sagt Kunsthistorikerin Aßmann. Doch im Netz, auf der Plattform „Museum digital“, werden nur Werke zu sehen sein, bei denen das Urheberrecht abgelaufen ist.

Das ist erst dann der Fall, wenn der jeweilige Künstler mindestens 70 Jahre tot ist. Der Grund: Ist das Urheberrecht noch nicht erloschen, müsste das Museum für eine Veröffentlichung - egal ob digital oder analog, etwa in Broschüren oder Katalogen - ein sogenanntes Verwertungsentgelt zahlen.

Dieses bemisst sich nach Art und Auflage der Publikation. In jedem Fall geht es um Geld, das die Moritzburg nicht hat. So geht es bisher in kleinen Schritten voran: 80.000 Werke sind bisher digitalisiert, 3.000 davon bereits  auf „Museum digital“ online zugänglich.

Kunstmuseum Moritzburg Halle: Erschütterungsfreier Arbeitsplatz notwendig

Bevor es so weit ist, müssen die jeweiligen Objekte fotografiert werden. Bei Plastiken und Gemälden erledigen das beauftragte Fotografen. Grafiken und Fotografien aus der umfangreichen Foto-Sammlung der Moritzburg (75.000 Bilder) kommen unter Thomas Severins Scanner.

Der steht in einem Eckturm der Moritzburg, in einem fensterlosen Raum. Von den Ausstellungsräumen geht es durch eine kleine Tür leicht bergan einen dunklen Gang entlang.

In Severins Reich bleibt der Lärm der Stadt draußen. Es ist nicht nur still hier, sondern - viel wichtiger - erschütterungsfrei. Nur so arbeitet der hochempfindliche Scanner exakt, erklärt Severin: „Bei der kleinsten Erschütterung könnte ich das angefertigte Bild wegwerfen.“ Der Scanner würde ruckeln, auf dem Bild wäre  das als Streifen zu sehen.

Ziel des Kunstmuseums Moritzburg: „Daten aller Objekte in einer einzigen Datenbank zusammenfassen“

Nicht nur das Portal „Museum digital“ bietet Einblicke in bisher unbekannte Schätze der Moritzburg. Auch für Ausstellungen macht sich das Museum neuerdings die Digitalisierung zunutze.

So sind in der neuen Sonderschau „Chinas Geld“ nicht nur rund 300 Exponate aus den Münzsammlungen zu bestaunen, wie Direktor Bauer-Friedrich sagt, sondern auch das Zehnfache davon in digitaler Form, abrufbar am Monitor.

Dabei ist das erweiterte Angebot für interessierte Laien im Grunde nur ein praktischer Nebeneffekt. Das eigentliche Ziel der Digitalisierung der Bestände beschreibt Kunsthistorikerin Lina Aßmann so:

„Wir wollen die Daten aller unserer Objekte in einer einzigen Datenbank zusammenfassen.“ Im Wesentlichen gehe es um den Künstler, die Herkunft, die Epoche, die Ausstellungsgeschichte und natürlich die Maße des jeweiligen Kunstobjektes.

Kunstmuseum Moritzburg Halle: Wildwuchs der Daten Herr werden

Auf diese Weise könnten zum einen alle Kollegen im Haus auf diese relevanten Daten zugreifen. Wichtig sei das etwa bei der Planung von Ausstellungen. Denn ob Gemälde, Plastik oder Fotografie:

„Nicht jeder Abteilungsleiter weiß, was der Kollege so an Schätzen im Depot hat.“ Und weil auch andere Museen weltweit längst an der Digitalisierung ihrer Bestände und damit an einheitlichen Datenbanken arbeiten, wird auch der Austausch der Häuser untereinander einfacher. „Das ist etwa dann von Belang, wenn es um Leihgaben geht“, sagt Aßmann.

Zurzeit herrscht in der Moritzburg in Sachen Daten noch ziemlicher Wildwuchs: Es gibt verschiedene Online-Datenbanken, es gibt die guten alten analogen Karteikarten oder die sogenannten Inventarbücher, in denen die Bestände verzeichnet sind. Nun also soll alles zusammengefasst werden.

Kunstmuseum Moritzburg Halle: Digitalisieren braucht seine Zeit

Ein irrer Aufwand ist das, nicht nur wegen der Fülle der Objekte. Die Angaben auf Karteikarten etwa, erläutert Direktor Bauer-Friedrich, müssten von Hand in die neue Datenbank eingetragen werden. Die Moritzburg beschäftigt damit in erster Linie Praktikanten.

Die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Hauses könnten das neben ihren eigentlichen Aufgaben, etwa die Vorbereitung von Ausstellungen, kaum leisten, sagt Bauer-Friedrich. Wie lange es dauern wird, bis alles erfasst ist, alles umgestellt? In der Moritzburg haben sie mal gerechnet und sind auf 15 bis 20 Jahre gekommen.

Auch auf Thomas Severin und seine Scanner-Kamera kommt also noch eine Menge Arbeit zu. Ein paar Klicks, und auf einem Monitor erscheint ein Bild von Hans Finsler, das Severin gerade abfotografiert hat. „Karussell im Lunapark beim Bellevue“ von 1932.

Der Schweizer Finsler (1891 bis 1972) war der Begründer der Fotoklasse an der halleschen Kunsthochschule „Burg Giebichenstein“. Allein sein in der Moritzburg gehüteter Nachlass, schätzt Severin, umfasst 5.000 bis 6.000 Bilder.

Im Netz: www.museum-digital.de, www.stiftung-moritzburg.de

(mz)