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Künstlerhaus 188 in Halle Künstlerhaus 188 in Halle: Ein Vorschlag zur Güte

22.07.2014, 19:53
Das Gebäude der alten Weingärtenschule im Böllberger Weg. Wie lange steht das Haus hier noch?
Das Gebäude der alten Weingärtenschule im Böllberger Weg. Wie lange steht das Haus hier noch? Thomas Meinicke Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Für erhebliches Aufsehen hat der jüngste Vorschlag in der Debatte um das Schicksal des „Künstlerhauses 188“ gesorgt. Wie berichtet, soll nach den Vorstellungen der Stadtverwaltung die ehemalige Glauchaer „Weingartenschule“ aus der Gründerzeit, ein denkmalgeschütztes und voll funktionsfähiges Gebäude mit Schinkel-Anklängen, zugunsten der geplanten neuen Straßenbahntrasse abgerissen werden. Dagegen hat Kultusminister Stephan Dorgerloh als oberster Denkmalschützer im Land ein Veto eingelegt, unter anderem mit Verweis auf den Welterbe-Antrag für die „Schulstadt“ der Franckeschen Stiftungen.

Die Verwaltung erwägt, dagegen Klage zu erheben, ist jedoch jüngst mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit getreten, der an eine Episode aus den Schildbürgergeschichten erinnert. Der Vorschlag sieht vor, das Gebäude um einige Meter zu verschieben, um den nötigen Platz für die Straßenverbreiterung zu gewinnen. Ob es den Schildaern mit ihrem Rathaus gelang, lässt die Geschichte offen, sicher ist, dass in der Realität solche Projekte möglich sind, allerdings zu kaum vorstellbaren Kosten. So verschlangen im Jahr 2007 der Abbau und Transport der Kirche von Heuersdorf sowie der Wiederaufbau in Borna drei Millionen Euro, bezahlt vom Braunkohleunternehmen Mibrag, das mit diesem Akt zynischer Heimatpflege vom Abriss des jahrhundertealten Dorfes ablenkte.

Vorhaben muss aus Steuergeldern bezahlt werden

Jedoch wird in Halle kein Geldgeber einspringen, sondern das Vorhaben wird aus Steuergeldern bezahlt werden müssen. Damit würde der Denkmalschutzgedanke in Misskredit gebracht. Als Drohkulisse steht der Abbruch des Straßenbahnvorhabens im Raum, weil bei nicht regulärer Durchführung die Fördermittel angeblich nicht fließen. Jedoch stößt man in der „Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des (Verkehrs-)Entflechtungsgesetzes“, auf den Passus: „Es ist Sorge zu tragen, dass der ÖPNV gegenüber dem Motorisierten Individualverkehr bevorrechtigt ist. Dies kann im Einzelfall durch bauliche (besonderer Bahnkörper) oder auch durch verkehrslenkende Maßnahmen gewährleistet werden.“

Die Stadtwerke Halle prüfen, ob das Gebäude der alten Weingärtenschule komplett an eine andere Stelle verschoben werden kann. Technisch wäre das offenbar möglich. Das städtische Unternehmen hat schon zwei Spezialfirmen beauftragt, die Machbarkeit - und vor allem auch die Kosten - zu überprüfen und zu berechnen. Bald sollen dazu erste Ergebnisse vorliegen.

Hintergrund dieser Überlegungen ist der vom Kultusministerium abgelehnte Abriss des Künstlerhauses. Die Hallesche Verkehrs-AG (Havag) klagt dagegen. Die Stadt Halle und die Havag wollen das Künstlerhaus abreißen, um beim Umbau des Böllberger Weges einen eigenen Gleiskörper für die Straßenbahn zu bauen. Ansonsten sei die Straße zu eng dafür. Dies sei die einzige im Rahmen des Stadtbahnprogrammes förderfähige Variante. Wegen des Abrissverbotes befürchtet die Stadt, dass das Stadtbahnprogramm in Halle scheitern könnte.

Bei gutwilliger Interpretation lässt der Satz im „Einzelfall“ Spielraum für „Maßnahmen“, die von der Norm abweichen. Es braucht politischen Willen und planerisches Geschick, eine Lösung auszuhandeln. Schaut man sich an, wofür der Platz gebraucht wird, so ist es nicht nur das erhabene Gleisbett, sondern auch die begleitende Straße, der Geh- und der Radweg. Trennt man diese Bestandteile des Plans, rückt die Möglichkeit in den Blick, den Geh- und Radweg hinter das Gebäude zu verlegen. Dort stößt man auf den Verbindungstrakt von Treppenhaus (Schule) und Zugang zur Turnhalle. Vieles spricht dafür, dass dieser Trakt verzichtbar ist, die Wegführung also bei einem Abbruch an dieser Stelle denkbar wäre. Insgesamt beträgt der Platzgewinn an der Straße 2,70 Meter (die Breite des bestehenden Gehwegs). Mit diesem Platzgewinn umzugehen, wäre die Aufgabe der Planer.

Ideen für Nutzung sind ausschlaggebend

Letzten Endes aber steht und fällt die Zukunft des Hauses – intakt wie es ist – mit den Ideen für seine Nutzung. Darüber nachzudenken, müsste Hand in Hand gehen mit seiner Rettung. Denkbar wäre vieles, vom Umbau zu Loft-Wohnungen über Einzug der Stasi-Unterlagenbehörde, bis hin auch wieder zum Künstlerhaus, unter neuen Vorzeichen und für eine neue, junge Generation. Geld für „Verschieben“, erst recht für Abriss wäre dagegen eine Schildbürgerei der städtischen Kulturpolitik.