Kult-Café in Halle Kult-Café in Halle: Chef des "Nöö" setzt weniger auf Modernität oder ausgefallenes Interieur

Halle (Saale) - Schon seit Urzeiten, möchte man meinen, besuchen Männlein und Weiblein zur Erleichterung „Möhre“ und „Pflaume“. Die Wände sind immer noch dunkelrot gestrichen, im Gastraum stehen urige Holzmöbel, eine kleine Discokugel baumelt über dem Podest an der Decke - alles in allem unaufgeregt, ohne Schischi und Schnickschnack, aber doch irgendwie besonders. Das ist das „Café Nöö“.
Martin Zachura, Chef der Kult-Kneipe, setzt auf Altbewährtes. „Man muss ja nicht immer mit dem Strom und dem Veränderungswahn schwimmen“, sagt der Hallenser. Seit 25 Jahren gibt es das Café nun schon, und zwar ziemlich genau so. Gut, ab und zu muss man auch hier die Getränkekarten erneuern oder den Freisitz mit neuen Sitzmöbeln ausstatten.
Im Kern aber bleibt alles wie es ist und wie es viele Hallenser kennen. Außerdem macht nicht die Ausstattung das Nöö zum Nöö, sondern die Menschen. „Der Laden“, so Zachura, „lebt von der Patina der Leute, die hier gearbeitet oder uns besucht haben.“ Vom Studenten bis zum Opi, eine klare Zielgruppe spricht das kultige Café in der großen Klausstraße nicht an. Aber das will man hier ja auch nicht.
Absprung nicht geschafft
Schon während des Studiums hat sich Zachura sein Geld in der Gastronomie verdient. „Nur im Gegensatz zu den Anderen, habe ich den Absprung nicht geschafft“, sagt er. Soziologe wollte er eigentlich werden, so hatte er sich das mit 20 zumindest vorgestellt. Allerdings kamen ihm Mathematik und Statistik in die Quere und die hätten ihm fast das studentische Genick gebrochen. Er blieb also dem „Kneipengewerbe“ treu.
Als sich ihm dann die Gelegenheit bot, das Nöö zu führen, da griff er zu. Und er bereut es bis heute nicht. „Es macht mir immer noch großen Spaß und ich kann mir nicht vorstellen so schnell etwas Anderes zu machen“, sagt er. Eine Herausforderung ist es, so Zachura, die Menschen ohne ein richtiges Konzept trotzdem von sich zu überzeugen.
Er lässt sich immer etwas Neues und Ausgefallenes einfallen. Gurkenradler in etwa und selbst gemachter Eistee sollen in diesem Jahr für Abkühlung bei heißen Temperaturen sorgen. „Man kann zwar das Rad nicht neu erfinden, aber abheben wollen wir uns schon von den vielen Cafés und Bars hier“, erklärt der Kneipier. Das sieht der Chef de Cuisine genauso und geht hier seiner kreativen Ader vollends nach. So entwickelt er zum Beispiel ausgeklügelte und asiatisch angehauchte Tofu-Gerichte.
Trend des vegetarischen Kochens
„Ha“, werden jetzt einige sagen, „auch die gehen also mit dem Trend des vegetarischen Kochens mit.“ Aber nöö nöö, falsch gedacht, denn in dem Café gibt es schon immer Vegetarisches. „Das ist allein schon der Geschichte des Hauses und den damit verbundenen Menschen geschuldet“, sagt Zachura.
Das Gebäude ist vielen unter dem Namen „Reformhaus“ oder „Haus der Bürgerbewegungen“ ein Begriff. Hier sind seit 1990 Organisationen aus Umwelt- und Naturschutz, Bildungs- und Friedensarbeit unter einem Dach vereint. Von dieser Seite aus gab es wohl schon immer den Wunsch nach gesundem Essen, so der 35-Jährige. Wem das allerdings nicht „grün“ ist, der kommt trotzdem auf seine Kosten, und zwar ganz klassisch und altmodisch mit Schweinegulasch an Kartoffelstampf.
Zachura ist immer mit viel Engagement im „Nöö“. Manchmal, so sagt er, muss er sich zwingen, nicht jeden Tag zur Arbeit zu gehen. Vieles kann man aber auch von zu Hause erledigen. Zudem fordern Kind und Freundin regelmäßig ihr Recht auf gemeinsame Zeit. „Das ist alles eine Frage der Organisation“, sagt der Familienvater.
Natürlich ist er an vielen Wochenenden und Feiertagen im Café, so ist das halt in der Gastronomie. „Andere, die Schichten arbeiten müssen, bekommen das aber auch alles unter einen Hut“, sagt er. Und so trifft man den Chef des Cafés Nöö auch oft zusammen mit seinen Lieben auf den Spielplätzen der Stadt. Wo er Gurkenradler einfach mal Gurkenradler sein lässt. (mz)