1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Immer mehr junge Koma-Trinker : Komatrinken in Halle (Saale): Wenn Kinder schon mit zehn Besoffen sind

Immer mehr junge Koma-Trinker  Komatrinken in Halle (Saale): Wenn Kinder schon mit zehn Besoffen sind

Von Günther Sturmlechner 07.02.2018, 05:00
In Halle hat sich die Zahl der Jugendlichen und Kinder, die wegen Alkoholmissbrauch in einem Krankenhaus behandelt werden müssen, verdoppelt. 
In Halle hat sich die Zahl der Jugendlichen und Kinder, die wegen Alkoholmissbrauch in einem Krankenhaus behandelt werden müssen, verdoppelt.  dpa

Halle (Saale) - Gruppenzwang, Angeberei, Prestige? In Halle verdoppelte sich 2016 die Zahl von Kindern und Jugendlichen, die mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Das berichtet die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK-Gesundheit) und stützt sich mit ihren Zahlen dabei auf das Statistische Landesamt Sachsen Anhalt.

In der Region sind sogar zwölf Fälle bekannt, in denen die Patienten erst zwischen zehn und 15 Jahre alt waren. Die absoluten Zahlen der jungen Koma-Trinker sind zwar mit 65 scheinbar niedrig, aber Daniel Bäsler von der DAK-Gesundheit fordert, dass das Thema Alkoholmissbrauch und -prävention stärker in den Schulalltag einfließen soll. „Viele Jugendliche überschätzen sich und glauben, exzessives Trinken gehöre zum Feiern dazu“, sagt er.

Alkohol ist die legale Droge Nummer Eins

Manuela Elz, Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychologie im St. Elisabeth Krankenhaus, zeichnet ein noch kritischeres Bild der Situation. Alkohol sei unter der Bevölkerung die legale Droge Nummer eins. Er lockere die Hemmschwelle - für Jugendliche eine optimale Möglichkeit, Verbote zu brechen und Grenzen auszureizen.

Sie trinken in der Gruppe, manchmal unter Zwang, dann geht es raus oder in den Club. Immer mal wieder kippen einzelne Jugendliche um. Sie trinken unvorsichtig, kennen ihr Limit noch nicht und trinken immer weiter.

Chefärztin aus Halle: Saufen bis zum Umfallen sei wie ein Sport für manche Jugendliche

„Dabei kommen schon einige Promille zusammen“, sagt Elz und schätzt, dass mehr als 90 Prozent aller Schüler über 14 Jahren mindestens ein Mal pro Woche Bier und Hochprozentiges im Wechsel trinken. Eine verstärkte Form stelle das „Saufen bis zum Umfallen“ dar.

Die Ärztin vergleicht es mit Sportübungen. „Hier gibt es unzählige Spiele, die alle darauf abzielen, dass der Betreffende in kürzester Zeit eine große Menge Alkohol trinkt. Über etwaige Folgen macht sich keiner Gedanken.“ Sie weißt darauf hin, dass Jugendliche zwar nicht so schnell abhängig würden, aber das Trinkverhalten in der Jugend prägt jenes im Erwachsenenalter. „Hier ist Prävention angesagt.“

Suchtberatung der Awo: In Einzelfällen sind Alkoholsüchtige erst zehn oder elf Jahre alt

Damit beschäftigt sich Susann Brendler, Suchtberaterin bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Halle-Merseburg. „Die Leute, die in die Awo-Beratungsstelle kommen, werden jünger“, sagt sie, was daran liege, dass schon eine höhere Sensibilität für das Thema herrsche. Trotzdem versucht die Suchberatung, die Leute noch frühzeitiger zu erreichen, denn es gab schon Einzelfälle, in denen Betroffene erst zehn, elf oder zwölf Jahre alt waren.

„Da geht es aber um soziale Brennpunkte. Jugendliche und Kinder mit einer drastischen Geschichte“, sagt Brendler und deutet an, dass Eltern nun mal den Umgang mit Alkohol an ihre Kinder weitergeben würden. Damit sich Jugendliche früh mit dem Thema Alkoholmissbrauch auseinandersetzen, bietet die Awo auch Workshops in Schulklassen an. Die Schüler schätzen den Alkoholgehalt von einem vollen Bier-, Wein-, Sekt- oder Cognacglas. „Darüber kommen wir mit ihnen ins Gespräch“, sagt die Suchtberaterin. „Vorträge sind wenig sinnvoll.“

Alkohol soll nicht verteufelt werden

In einer anderen Übung bilden die Schüler Gruppen und machen vor ihrer Klasse Werbung für ein fiktives Jugendgetränk. Dabei entdecken sie, wie für Alkohol geworben wird und welche Effekte die Werbung verspricht. Am Ende gehe es um das richtige Maß. „Wir wollen weniger verteufeln und mehr helfen, einen selbstbestimmten Konsum zu finden“, sagt Brendler und verweist auf die Suchtpräventionskampagen „Kenn dein Limit“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Mit dem Projekt „bunt statt blau“ unterstützt auch die DAK eine Kampagne zur Suchtprävention. Dabei werden Schüler zwischen zwölf und 17 Jahren aufgerufen, kreative Botschaften gegen das Rauschtrinken zu entwickeln. (mz)