1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Kerzen erinnern an die Wende in Halle

Kerzen erinnern an die Wende in Halle

Von HEIDI JÜRGENS 09.10.2009, 20:15

HALLE/MZ. - In dem Gotteshaus reichten die Sitzplätze nicht aus - so wie vor 20 Jahren auch. Abends machten sich etliche auf den Weg nach Leipzig, um am dortigen Lichtfest teilzunehmen.

Und auf der Mauer an der Georgenkirche wurden wieder Kerzen entzündet - so wie heute vor 20 Jahren, als dort die Mahnwache begann: Zufluchts- und Informationsort für Bedrängte und Suchende und sichtbares Zeichen für die Hallenser. "Dass die Kerzen hier Tag und Nacht brannten, hat vielen Mut gemacht", erinnert sich der damalige Georgen-Pfarrer Hans-Joachim Hanewinckel. "Darin hat sich gezeigt, dass die staatliche Macht im Schwinden war." Autos hupten - auch, als daraufhin hin ein Verkehrsschild dies untersagte und Autofahrer abkassiert wurden. Privatleute brachten Zelte, Decken, Verpflegung, Papier und Schreibmaschinen, Drogisten spendeten Kerzen.

Zu denen, die am Freitag hier Licht um Licht ansteckten, gehörte auch Astrid Altermann. Ganz still hatte sie zuvor die Fotos von 1989 im Innenraum der Georgenkirche angeschaut mit Tränen in den Augen. "Es ist alles wieder so nah", sagte die Frau, die damals mit zur Baugruppe der Kirche gehört hatte und zu denen, die die Mahnwache begleiteten - trotz großer Angst zu Beginn.

"Fürchte Dich nicht" - unter dieses Thema hatten der evangelische Pfarrer Harald Bartl, der katholische Propst Reinhard Henschel und der ehemalige Superintendent Günther Buchenau auch den Gottesdienst am Nachmittag in der Marktkirche gestellt, zu dessen Besuchern auch Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (SPD) gehörte. Man wolle derer gedenken, machten die Pfarrer deutlich, die sich vor 20 Jahren mutig zusammengefunden und der staatlichen Gewalt gewaltlosen Widerstand entgegengesetzt hätten. Die den Schutz der Kirche gesucht und gebetet hätten, um "das Land nicht gleichgültig sich selbst zu überlassen".

Das Wort nahmen dann einige derer, die am 9. Oktober 1989 in der Kirche und am Markt Veränderungen gefordert hatten. Die Theologin Christel Riemann-Hanewinckel, der Bürgerrechtler Matthias Waschitschka, Sara Binay, damals Zehntklässlerin, und Gerhard Packenius, im Oktober 1989 gerade vier Wochen Pfarrer der katholischen Studentengemeinde. Man solle die Opfer nicht vergessen, sagte Christel Riemann-Hanewinckel, denn vor der Kirche wurden Leute zusammengeschlagen, durch Straßen getrieben und verhaftet. Und man solle auch jene Straßenbahnfahrer nicht vergessen, die Türen öffneten, Fliehende einsteigen ließen und losfuhren, ehe die Verfolger heran waren.

Gerhard Packenius verwies darauf, dass es Polizisten waren, die zuschlugen und etliche Hallenser verletzten. Er machte aber auch deutlich, dass es andere Polizisten gegeben hat. Sie hatten sich geweigert, einen Lastwagen zu verlassen. "Trotz Furcht vor den Vorgesetzten hatten sie Ehrfurcht vor den Mitmenschen", so Packenius.