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„Es ist für alle grausam“ Kampf um Leben und Tod: Uniklinikum Halle muss wegen steigenden Infektionenzahlen die Corona-ITS erweitern

Die Intensivstationen der Kliniken laufen voll, die Infektionslage spitzt sich auch in der Region zu. Am Uniklinikum Halle wird die Corona-ITS daher erweitert. Welche körperliche Schwerstarbeit und welch seelische Belastungen damit verbunden sind, Covid-19-Patienten zu behandeln, können sich Laien kaum vorstellen.

Von Petra Buch 27.11.2021, 12:30
Ein schwer an Covid-19 erkrankter Patient liegt in einem Isolierzimmer auf der Corona-Intensivstation im Universitätsklinikum in Halle.
Ein schwer an Covid-19 erkrankter Patient liegt in einem Isolierzimmer auf der Corona-Intensivstation im Universitätsklinikum in Halle. Foto: dpa

Halle (Saale)/dpa - Von den ersten Symptomen einer Coronainfektion bis zur Intensivstation (ITS) dauere es nur sechs bis sieben Tage. Der jüngste Patient auf der Corona-ITS im Universitätsklinikum Halle (UKH) sei erst 21 Jahre alt, sagt der Mediziner Lorenz Homeister. Die Szenerie auf der Station wirkt bedrückend.

Abgeschirmt von der Außenwelt, hinter Glasscheiben und umgeben von zig Geräten, ringen schwer kranke Menschen um jeden Atemzug. Hochkonzentriert arbeitet ein Team aus Ärzten und mehreren Pflegekräften in der Universitätsklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin am Krankenbett.

Patientenzahlen auf der ITS am Universitätsklinikum Halle steigt

Welche körperliche Schwerstarbeit und welch seelische Belastungen damit verbunden sind, Covid-19-Patienten zu behandeln, können sich Laien kaum vorstellen. Das Virus Sars-CoV-2 ist für das menschliche Auge unsichtbar. Doch die Patienten auf der Covid-19-ITS sind schwer von der Erkrankung gezeichnet. Ihr Leben hängt am seidenen Faden, die Funktion ihrer Organe ist von Maschinen, Schläuchen und Apparaten abhängig. „Das, was sonst die Lunge macht, findet in dem Gerät statt“, erklärt Intensivmediziner Homeister vereinfacht die Technik der künstlichen ECMO-Therapie.

Das System übernehme die Lungenfunktion bei einem akuten Lungenversagen und sei oftmals letzte Therapieoption bei Covid-19-Patienten. Das Universitätsklinikum Halle sei als ECMO-Zentrum für die Behandlung von schwerst kranken Covid-19-Patienten in Sachsen-Anhalt zuständig. Und es werden immer mehr. Dies belegen auch die Infektions- und Bettenbelegungszahlen des Robert Koch-Instituts und des Intensivregisters DIVI.

Das Krankenhaus ist ein Zentrum der Behandlung von Covid-19-Patienten in der Region.
Das Krankenhaus ist ein Zentrum der Behandlung von Covid-19-Patienten in der Region.
Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/

Alle zwei Stunden Schutzausrüstung wechseln

Der Großteil der Patienten, die schwer an Corona erkranken, seien nicht geimpft, sagt Homeister. „Das merken wir hier ganz deutlich“. Schwere Vorerkrankungen wie auch Diabetes und über 60 Jahre alt zu sein, erhöhten das Risiko zusätzlich, auf der Intensivstation und mit Beatmungsgeräten behandelt werden zu müssen.

„Wer das tagtäglich hier erlebt, für denjenigen ist es nur schwer nachzuvollziehen, warum man sich nicht gegen das Coronavirus impfen lässt“, sagt Intensivpfleger Sebastian Kasseck. Der kräftige junge Mann wischt sich den Schweiß von der Stirn. Denn allein alle zwei Stunden wechselt das Team die Schutzausrüstung, die den Körper bedeckt, vom Scheitel bis zur Sohle.

Etwa 900 Menschen mit positivem Befund sind bisher im Universitätsklinikum behandelt worden

Im Universitätsklinikum Halle ging angesichts der Infektionslage in Sachsen-Anhalt und voller ITS-Betten in dem Klinikum eine zweite Covid-ITS ans Netz, wie Christian Ehrke, Pflegerischer Leiter der Intensiv- und Notfallmedizin, sagt. Die Covid-ITS2 habe vorerst acht Betten, im Ernstfall könne sie auf zwölf erhöhen.

Das Team um Oberarzt Homeister kämpft seit Beginn der Pandemie vor fast zwei Jahren auf seiner ITS um das Leben von Menschen, die schwer an Covid-19 erkrankt sind. Rund um die Uhr. Tag für Tag. Etwa 900 Menschen mit positivem Befund sind bisher im Universitätsklinikum behandelt worden, vom Kind bis zum über 90-Jährigen, etwa 35 Prozent intensivmedizinisch.

Das Team um Oberarzt Homeister kämpft seit Beginn der Pandemie vor fast zwei Jahren auf seiner ITS um das Leben von Menschen, die schwer an Covid-19 erkrankt sind.
Das Team um Oberarzt Homeister kämpft seit Beginn der Pandemie vor fast zwei Jahren auf seiner ITS um das Leben von Menschen, die schwer an Covid-19 erkrankt sind.
Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/

Was Hoffnung macht

Leben und Tod liegen dabei eng beieinander. „Es ist sehr schwer, viele und auch sehr junge Patienten sterben zu sehen“, beschreibt Kasseck die Situation für alle Kolleginnen und Kollegen. Um seelisch damit fertig zu werden, suchten sie den Ausgleich im Privaten, im Sport. Ohne das Team, das zusammenhalte von Anfang an, sei es nicht auszuhalten. Darin seien sich die rund 30 Pflegekräfte und 13 Ärzte einig.

Denn es sei ganz schrecklich, wenn Menschen wegen der Infektionsgefahr keinen Besuch empfangen dürften und auch nicht Abschied nehmen könnten. Die Übermittlung von Todesnachrichten erfolge per Telefon. „Das ist für alle grausam“, sagt Arzt Homeister. Die Kraft, um den Mut nicht zu verlieren, spendeten dem Team die Menschen, die es schafften, nach aufwendiger Therapie und Rehabilitation ins Leben zurückzukehren. „Das macht uns immer wieder Hoffnung, sonst hält man es nicht durch“, sagt Intensivpfleger Kassek.