Justiz Justiz: Ein ungewöhnlicher Richter

Halle/MZ - 22 Jahre lang hat Karl-Heinz Millgramm am Verwaltungsgericht Halle Recht gesprochen. Fälle wie sein Urteil im Prozess um den Deichbau am Gimritzer Damm, bei dem er Oberbürgermeister Bernd Wiegand persönliche Ratschläge mit auf den Weg gab oder der Prozess um den Giftzug von Helbra waren spektakulär. Am kommenden Donnerstag wird der 65-Jährige in den Ruhestand verabschiedet.
Doch auch das Leben des Vollblutjuristen ist ungewöhnlich: „Ich bin froh über jeden Tag, den ich als Richter arbeiten durfte. Das war mein absoluter Traumjob“, sagt Millgramm. Dabei war der Weg zum Ziel nicht leicht. Als Kind einer Bergarbeiterfamilie wuchs er mit elf Geschwistern in Essen auf. Niemals in seinem Leben, so der künftige Pensionär, habe er vergessen, woher er komme. Deswegen hing auch während seiner gesamten Dienstzeit eine unscheinbare schwarze Robe in seinem Amtszimmer: Nach der Volksschule hatte er eine Ausbildung als Anwalts- und Notargehilfe gemacht und war sieben Jahre lang Protokollführer am Landgericht Essen.
Und da hatte ihn die Juristerei gepackt: Auf der Abendschule holte er nach seiner Arbeit als Gerichtsdiener drei Jahre lang den Realschulabschluss nach, dann vier Jahre lang das Abitur.
Nach dem Studium und der Promotion zum amerikanischen Verfassungsrecht machte Millgramm eine erstaunliche Karriere: Noch als persönlicher Referent des Rektors der Uni Münster erhielt er 1990 einen Anruf. „Möchten Sie Kanzler der Uni Halle werden?“
Die Kontakte dazu waren unter anderem von dem ehemaligen Bildungs- und Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) geknüpft worden: „Der war in Münster mein Nachbar“, so Millgramm. Nach einem Vorstellungsgespräch in Halle waren die Weichen schnell gestellt. Eineinhalb Jahre lang lenkte der Jurist die Geschicke der Uni. „Im November 1990 haben einige Leute ernsthaft darüber nachgedacht, die Uni mit damals 12 500 Beschäftigten komplett abzuwickeln und dann neu aufzubauen“, berichtet er aus dieser Zeit. Millgramm redete ihnen diese Idee aus und machte klar, dass das Bundesverfassungsgericht so etwas kippen würde.
1991 war der damals 43-Jährige an seinem beruflichen Ziel angelangt und wurde zum Richter am Verwaltungsgericht ernannt. Den Kontakt zur Uni hat er nie verloren: Früher in Halle, jetzt in Leipzig unterrichtet er Studenten in seinem Lieblingsgebiet, dem amerikanischen Verfassungsrecht - und zwar auf Englisch. Das soll auch in Zukunft weiter so bleiben.
„Das einzige, was sich ändern wird, ist, dass die Fahrten von meinem Wohnort Leipzig nach Halle wegfallen“, sagt der 65-Jährige. Denn auch ab September wird sein Terminkalender voll sein: Staatsexamens-Prüfungen wird er weiter abnehmen, ebenso Schulungen zum öffentlichen Recht durchführen. Als freiwilliger Feuerwehrmann engagiert er sich zudem für die Brandschützer und macht Fortbildungen im Brandschutzrecht. Und die zwei Marathonläufe pro Jahr, auch die will Millgramm weitermachen. Unspektakulär wird der Ruhestand also nicht.