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Julie Fischer Julie Fischer: Hobby-Model verlor Haare Wimpern und Augenbrauen

Von Sandy Schulze 01.08.2016, 05:00
Julie Fischer  fühlt sich unterwegs mit Mütze am wohlsten. Bei Foto-Shootings lässt sie sich mit und auch ohne Kopfbedeckung ablichten.
Julie Fischer  fühlt sich unterwegs mit Mütze am wohlsten. Bei Foto-Shootings lässt sie sich mit und auch ohne Kopfbedeckung ablichten. Günter Bauer

Halle (Saale) - Julie Fischer bewegt die Hand langsam in Richtung Nacken. Ein Stück weiter oben hält sie kurz inne. „Hier hat es angefangen“, sagt die 19-Jährige. Gemeint ist Alopecia Areata. Der Name ist steril, sperrig. Schon wenn es um die korrekte Aussprache geht, wird es schnell unbehaglich. Aber auch der geläufigere Begriff „kreisrunder Haarausfall“ hat es für Julie Fischer nicht weniger schwierig gemacht, als sie im Spätsommer 2012 die ersten kahlen Stellen auf ihrem Kopf entdeckte.

Zuerst konnte sie die bloße Haut noch mit ihren langen blonden Haaren verdecken. Dann dünnte ihre Frisur schleichend immer stärker aus, bis sie im November schließlich ihre Perücke kaufte. Mit 15 Jahren. „Warum ausgerechnet ich?“, fragte sich die Hallenserin am Anfang immer wieder. Sie hatte gerade begonnen, mit ihren Freundinnen Pläne zu schmieden. „Ich hatte mich gefreut, mit 16 endlich auf Partys gehen zu können“, erklärt sie. Aber ihr Selbstvertrauen war erschüttert. Was, wenn jeder sofort bemerkt, dass die Haare auf ihrem Kopf gar nicht ihre eigenen sind? Diese Frage war für sie damals mit tiefer Unsicherheit verbunden.

Thema Haarausfall

Wenn Julie Fischer heute über ihren Haarausfall spricht, dann strahlt sie von innen heraus Stärke aus. Sie wirkt selbstbewusst, auch wenn es wohl immer Tage geben wird, an dem sie ihre langen Haare vermissen wird. „Es hat drei Jahre gedauert, bis ich gelernt habe, damit umzugehen“, erklärt sie. Sie hat gelernt, nach vorn zu sehen, auch wenn es schwierig ist oder manchmal fast unmöglich schien. „Ich sehe Alopecia nicht als Krankheit, sondern als Besonderheit.“

Bis sie vom wackligen zu einem stabilen Selbstbild kam, hatte sie in der Zwischenzeit viel versucht, um den Haarwuchs wieder anzuregen. Mit Biotin, UV-Licht und Tinkturen, einer neuen Pille oder einer schmerzhaften Behandlung mit Nadeln. Das Ergebnis war immer wieder dasselbe: Sie sah danach genauso aus wie vorher. Der Grund für den plötzlichen Haarausfall konnte nicht festgestellt werden. Bei Alopecia reagiert der Körper so, als ob er plötzlich wie allergisch auf die eigenen Haare reagiert.

Wimpern und Augenbrauen verloren

Phasenweise sind sie bei Julie Fischer auch wieder ein Stück nachgewachsen. Vor einem Jahr hatte sie auch die Wimpern und Augenbrauen verloren. Nachdem sie regelmäßig ein Serum aufgetragen hatte, kamen sie wieder zurück.

Zuhause hat die 19-Jährige drei Perücken: zwei mit Kurzhaar- und eine mit Langhaarfrisur. Praktisch sind sie allerdings nicht: Mit Perücke wird es schnell warm auf dem Kopf, es ist schwierig, sie zu stylen und sie ist hinderlich beim Sport. Deswegen ist Julie Fischer meistens mit Mütze unterwegs. Oder bei Foto-Shootings seit einiger Zeit auch ganz ohne Kopfbedeckung. Sich so vor der Kamera zu zeigen und sich auch schön zu fühlen, beschreibt sie als „Selbsttherapie“.

Über eine Schulfreundin kam sie vor anderthalb Jahren mit einer Fotografin zusammen, die auf der Suche nach neuen, interessanten Gesichtern war. Julie Fischer ließ sich mit Perücke fotografieren- „Das war ein Muss,“ sagt sie. Für sich privat ließ sie dabei auch einige Aufnahmen mit Glatze machen. Damals wirkte sie noch nicht schüchtern. Seitdem sie sich im Herbst zum ersten Mal bei einem Fotoshooting komplett ohne Haare zeigte und durchweg positive Rückmeldungen bekommen hat, hat sie mit einem Dutzend Fotografen zusammengearbeitet, die auf Julie Fischer zukamen, um ihr Portfolio zu erweitern. Und nicht nur das sieht die Hallenserin als Gewinn: „Ich bin den Äußerlichkeiten anderer gegenüber sensibler geworden“, sagt sie. Heute ist sie auch gern Gesprächspartnerin für andere Betroffene, die sie im Internet ansprechen oder die sie persönlich kennt.

Und vor allem genießt sie die vielen Möglichkeiten in ihrem Leben. Gerade absolviert sie ein Freiwilliges Soziales Jahr an der Montessorischule und möchte ab Herbst „Lehramt an Förderschulen“ studieren - am liebsten in Halle. (mz)

Bilder von ihren Foto-Shootings stellt Julie Fischer auf www.instagram.com/julie_12.03 online