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Jubiläum der Burg Giebichenstein Jubiläum der Burg Giebichenstein: Auf den Spuren von Paul Thiersch

Von Michael Falgowski 23.04.2015, 17:23
100 Jahre Burg im Volkspark im Gespräch: Rektor Dieter Hofmann, Georg und Paul Thiersch jr. und Burglehrer Johann Stief.
100 Jahre Burg im Volkspark im Gespräch: Rektor Dieter Hofmann, Georg und Paul Thiersch jr. und Burglehrer Johann Stief. Burg/Marco Warmuth Lizenz

Halle (Saale) - 1915 gab es die „gewerbliche Zeichen- und Handwerkerschule der Stadt Halle“ schon seit Jahrzehnten. Dennoch hat die Kunsthochschule Burg Giebichenstein ihre eigene Gründung auf das Jahr 1915 gelegt, vor 100 Jahren. Hintergrund ist eine schicksalhafte Personalentscheidung: Bürgermeister Richard Robert Rive bestellte den Münchener Architekten Paul Thiersch als Direktor, ausgewählt unter 76 Bewerbern. Was für eine kluge Wahl! Denn erst Paul Thiersch baute die Schule zu einer modernen Kunstgewerbe-Bildungsstätte, eine Mischung aus Handwerk und Kunst um, mit ihrem System verschiedener Werkstätten. Die Reformschule in Halle, das wird hier gerne bemerkt, ist damit älter als das, nun ja, berühmtere Bauhaus.

Thiersch entwarf Giebichensteinbrücke

Paul Thiersch also hat die spätere „Burg“ erfunden. Insofern ist es folgerichtig, dass dem Gründungsdirektor die erste Veranstaltung einer Reihe gewidmet war, welche die aktuelle Ausstellung „Professoren und Professorinnen der Burg“ im Volkspark begleitet. „Thiersch in Halle“ lautet das Thema. Dessen Spuren als Architekt in der Stadt sind allerdings eher übersichtlich: Die Giebichensteinbrücke hat er entworfen und den Treppenaufgang des Landesmuseums ausgemalt. Von den über 30 Bühnenaufbauten, vor allem für das hallesche Stadttheater, ist dagegen nichts geblieben. Umso leidenschaftlicher hat sich Thiersch in seine Aufgabe als Lehrer geworfen. „Paul Thiersch“, sagte Burg-Lehrer Johann Stief in seinem Vortrag, „hat sich stets gegen die Versuche des Ministeriums gewehrt, feste Lehrpläne an der Schule einzuführen.“ Es sei Thiersch um die Freiheit des Geistes gegangen, die Künstler sollten in Halle, in den Werkstätten und Ateliers, ihre Materialen selbst suchen und sich frei entwickeln.

Enkel und Urenkel ebenfalls Architekten

Diesem „Bildungsideal“ haben in der Podiumsdiskussion auch die beiden Gäste, Paul Thiersch jr., Enkel von Paul Thiersch, und Georg Thiersch, sein Urenkel, bestätigt. „Bei uns zu Hause gab es einen Raum mit Werkbank und Werkstoffen, in denen ich als Kind ganz frei bauen und arbeiten konnte“, sagt Georg Thiersch. Und auch bei seinem Vater sei dies ähnlich gewesen. Es gehörte zu den erstaunlichen Erkenntnissen des Abends, wie sich Familientradition in solcher Atmosphäre fortsetzen kann: Schon der Vater von Paul Thiersch war ein bekannter Münchener Architekt. Und auch die beiden Nachfahren sind Architekten.

Paul Thiersch hat in Halle seine Vision von einer Schule verwirklicht. Er hat übrigens wie seine Kollegen und Freunde Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe nie Architektur studiert. Darauf hat Johannes Stief hingewiesen. „Alle drei wären heute in keiner Architekturkammer Mitglied.“ Sie haben ihr „Handwerk“ gelernt. Programm im Jubiläumsjahr finden Sie unter: www.100.burg-halle.de. (mz)