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Josephine von Blueten Staub Josephine von Blueten Staub: Halle in der Poetry-Slam-Elite

Von Detlef Färber 13.10.2015, 09:22
Josephine von Blueten Staub lautet das Pseudonym der Poetry-Slammerin - hier vor einer Fassade in ihrem halleschen Viertel.
Josephine von Blueten Staub lautet das Pseudonym der Poetry-Slammerin - hier vor einer Fassade in ihrem halleschen Viertel. SILVIO KISON Lizenz

Halle (Saale) - Totgesagte - heißt es - leben länger. Und manchmal dann sogar viel lustiger und lebendiger als je zuvor. Die Totgesagten von denen hier die Rede sein soll, sind die Künste - und im engeren Sinne die sprachliche und textliche Kunstfertigkeit, die von der viel geschmähten „heutigen Jugend“ über all die Youtube-Filmchen und das Facebook-Geplapper angeblich völlig vernachlässigt wird und deshalb demnächst völlig dem Untergang geweiht ist. Ganz zu schweigen von der guten alten Fähigkeit früherer Generationen, mal mehr als nur drei Sätze im Zusammenhang zu erfassen - oder gar noch selber zu verfassen!

Doch der so oft beschworene Untergang der Sprachkultur muss wohl doch erstmal abgesagt werden. Warum daraus zum Glück nix wird, das begreift, wer Leute wie die 22-jährige kennenlernt. Oder gar mal live erlebt. Denn Josephine ist unter ihrem sehr poetischen Pseudonym Josephine von Blueten Staub eine der führenden deutschen Poetry Slammerinnen. Und damit zugleich Protagonistin einer Bewegung, die es geschafft hat, das schöne Wort und den literarisch geformten Text aus dem stillen Kämmerlein rauszuholen und auf manchmal auch schrille Weise bei Live-Auftritten publik zu machen. Also: Bühne frei für Poesie!

Thema Nummer eins: die Liebe

Was bei Josephines Texten und bei denen vieler anderer Poetry-Slammer zu hören ist, deckt sich weitgehend mit den Themen der Nachwuchsliteratur: Etwa Kindheitsträume im späteren Realitätstest oder die Suche der Jugend nach Orientierung im scheinbaren Chaos der Möglichkeiten und natürlich auch das sonstige Thema Nummer eins, die Liebe.

Doch im Unterschied zur üblichen literarischen Nachdenklichkeit dürfen und müssen die mutigen Poetry-Poeten sofort die bühnenöffentliche Nagelprobe für ihre Texte im Auge haben - was wohl Auswirkungen auf das jeweils nächste Gedicht oder die nächste Geschichte hat. Und damit auf die Stellung der Poetry zur Literatur. Dazu gibt es in der Szene übrigens einen wunderbar selbstironischen Spruch: Poetry sei „für die Literatur das, was die Paralympics für den Sport sind“.

Aha. Literatur mit Handicap also! Nur welchem? Etwa dem, dass diese Literatur unmittelbar gefallen sollte. Und sogar verstanden werden muss! Das immerhin könnte sich, statt ein Handicap zu sein, auch als Vorteil erweisen für die, die beide Kriterien stets im Auge behalten. Für Josephine trifft das gleich doppelt zu: Einmal, wenn sie selber schreibt und vorträgt - und wenn sie ihre Show „Kunst gegen Bares“, kurz KGB, moderiert. Dann honoriert die Publikumsjury (jeden zweiten Donnerstag, 20 Uhr, im „Charles Bronson“ in der Berliner Straße) die jeweilige Darbietung - je nach Gefallen - mit einem Obolus.

Keine Gefälligkeitsprosa

Doch wer meint, dass dabei bloße Comedy oder Gefälligkeitsprosa rauskommt, die sich für einen flotten Vortrag eignet - der irrt. Josephines schon mit einigen quasi Silbermedaillen versilberte Texte haben Überschriften wie: „Drei Mal Freiheit und doch daneben“. Die Schlusszeilen dieses Textes lauten: „Wenn die einzige Grenze durch den eigenen Kopf geht und dahinter die völlige Freiheit steht, was würde ich tun, bei völlig freier Wahl?“

Solche Fragen dürfen offen bleiben. Und müssen es wohl auch auch. Doch wenn sie suggerieren, dass Poetry-Leute nur permanent auf der Suche sind und darüber das Ankommen versäumen, so trifft das auf Spitzen-Slammerin Josephine nicht zu. Denn als Studentin der Politik- und Wirtschaftswissenschaft und Mitglied in gleich zwei Dichterkreisen, als Mitarbeiterin einer Studentenzeitung und sicher noch als manches mehr muss die gebürtige Magdeburgerin gut organisiert sein.

„Wir sind uns selbst fremd gegangen“, heißt es in einem Text von Josephine von Blueten Staub. Doch Josephine scheint es da etwas anders zu halten. Sie muss für all das, was sie macht, sehr bei sich sein. Und auch bleiben. (mz)