Jobcenter-Prozess in Halle Jobcenter-Prozess in Halle: Darf Sylvia Tempel wieder arbeiten?

Halle (Saale) - Sylvia Tempel kann wieder hoffen. Im Prozess um ihre Absetzung als Jobcenter-Chefin im Zuge der Affäre um den Einsatz von Ein-Euro-Jobbern auf ihrem Privatgrundstück deutet sich ein juristischer Teilerfolg für die 53-Jährige an. Sie hatte vor dem Arbeitsgericht Halle gegen ihre Absetzung und die anschließende fristlose Kündigung im vergangenen Herbst geklagt. In der Verhandlung ließ Richter Thomas Karting nun am Montag durchblicken, dass zumindest die Kündigung unwirksam sein könnte. Denn die Arbeitsagentur konnte ihre Vorwürfe gestern nicht mit eigenen Beweisen untermauern.
Beweispflicht beim Arbeitgeber
Das hätte sie aber nach Ansicht Kartings gemusst. Denn im Arbeitsrecht ist der Arbeitgeber in der Beweispflicht, wenn der Arbeitnehmer den Vorwürfen „substantiiert entgegengetreten“ ist. Eine solche Entgegnung auf ihre Kündigung hatte Tempel aber im Herbst intern gemacht. Nach ihrer Version der Vorgänge im Jahr 2012 hat sie nicht gewusst, dass es sich bei den Männern, die auf ihrem Privatgrundstück Gegenstände einer Gartenschau wieder aufgebaut hatten, um Ein-Euro-Jobber handelte. Sie habe mit dem Bildungsträger BBW einen mündlichen Vertrag geschlossen und später 600 Euro für die Gegenstände und die Arbeiten bezahlt. Nach Angaben des Bildungsträgers BBW soll dieses Geld als Spende eingegangen sein.
Auslöser der Affäre um Sylvia Tempel war das Projekt des Bildungsträgers BBW in der Neuen Residenz in Halle. 2012 wurde dort von Ein-Euro-Jobbern ein „Italienischer Garten“ gestaltet, mit Olivenbäumen, Weinranken und Balustraden. Als die Schau zu Ende war, mussten Ein-Euro-Jobber diese Gegenstände dann in Tempels Privatgarten im Mansfelder Land wieder aufbauen. Die MZ dokumentierte den Fall am 27. September 2014, einen Tag nach der Absetzung Tempels als Jobcenter-Chefin. Stadt und Arbeitsagentur als Teilhaber des Jobcenters hatten die Reißleine gezogen. Später sprach die Arbeitsagentur Tempel auch die Kündigung aus.
Kurz nach der Abberufung wollte Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) die Absetzung, der zuvor der Beigeordnete Wolfram Neumann als städtischer Vertreter zugestimmt hatte, rückgängig machen. Die Arbeitsagentur legte aber ihr Veto ein. Tempel hat erklärt, für die Gegenstände Geld bezahlt und von Ein-Euro-Jobbern nichts gewusst zu haben.
Die Vertreterin der Arbeitsagentur Silvia Rau bemühte sich am Montag im Prozess vergeblich, die verschiedenen Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft ins Feld zu führen. Darunter waren auch bisher unbekannte: So soll Tempel einmal einen Fahrer des Jobcenters beauftragt haben, ihren Sohn vom Köthener Krankenhaus abzuholen. Das hätten Jobcenter-Mitarbeiter gegenüber dem neuen Chef Jan Kaltofen erklärt. Auch soll Tempel ihren Dienstwagen für private Zwecke genutzt haben.
Tempel und ihr Anwalt Uwe Berthold wiesen diese Vorwürfe als unzutreffend zurück. Auf den Prozess hatten sie auch keinen Einfluss, denn als Kündigungsgrund hatte die Arbeitsagentur ausschließlich die Vorgänge auf ihrem Privatgrundstück herangezogen, wie sie die MZ im September 2014 dokumentiert hatte. Und ausschließlich darauf musste sich das Arbeitsgericht konzentrieren. Doch auch hier musste Rau auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen verweisen und konnte keine eigenen Dokumente als Beweis vorlegen. „Ich kann doch nicht ihren Prozess führen“, sagte daraufhin Richter Karting. „Sie müssen es beweisen.“
Abberufung hat wohl Bestand
Die Arbeitsagentur hatte selbst monatelang interne Ermittlungen gegen Tempel geführt, diese aber praktisch eingestellt, als die Staatsanwaltschaft den Fall übernommen hatte. Ob das der Grund für den überraschenden Prozessverlauf war, wollte Silvia Rau nach der Verhandlung nicht sagen. Sie lehnte jeglichen Kommentar gegenüber der MZ ab.
Tempels Anwalt gab sich hingegen siegesgewiss: „Wir werden gewinnen“, sagte er. Die Kündigung werde keinen Bestand haben, so Berthold. Jobcenter-Chefin wird sie trotzdem nicht wieder. Richter Karting ließ keinen Zweifel daran, dass der Beschluss der Trägerversammlung vom 26. September 2014 zur Abberufung Tempels wirksam sei. Der Versuch von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos), diesen Beschluss am 6. Oktober wieder aufzuheben sei am Veto der Arbeitsagentur gescheitert, so Karting. Das Urteil fällt am 24. Juni. (mz)