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Industriedenkmal in Halle Industriedenkmal in Halle: Leben in der Edel-Papierfabrik

Von Michael Falgowski 31.07.2014, 05:36
In der Geiststraße 21 saniert Stuckateur Henry Thürer den alten Laden.
In der Geiststraße 21 saniert Stuckateur Henry Thürer den alten Laden. Günter bauer Lizenz

HALLE (Saale)/MZ - In der Geiststraße wird eins der in Halle inzwischen selten gewordenen Industriedenkmäler saniert: die ehemalige Luxuspapierfabrik Heilbrun & Pinner. Wie eine Wunde klaffte das 1889 erbaute Vorderhaus samt der dahinterliegenden Fabrikgebäude in der Reihe der rekonstruierten Gründerzeitfassaden der Geiststraße. Aus der finsteren Einfahrt, durch die man in die beiden Innenhöfe der früheren Fabrik blicken kann, drang stets ein muffiger Geruch. Inzwischen aber ist Baulärm zu hören.

Wohnungen und Büros entstehen

Früher weltberühmt, ist die Luxuspapierfabrik Heilbrun & Pinner aus dem öffentlichen Bewusstsein der Hallenser verschwunden. Im Jahr 1914 arbeitete jeder dritte Heimarbeiter in Halle für die Fabrik. Im Hauptsitz der Fabrik selbst, in der Geiststraße 21/22, stellten damals rund 100 fest angestellte Mitarbeiter Girlanden, Lampions, Christbaumschmuck und aufklappbare Karten her. Die Luxus-Papierfabrikation hatte laut der beiden Historiker Gil Schlosser und Jörg Bittenbinder im Jahr 1879 mit einem selbst gebastelten Papierhut bei einem Kostümball begonnen. Und sie endete im Jahr 1936, als die beiden jüdischen Gründerfamilien Halle und das Deutsche Reich verlassen mussten. Hans Heilbrun, der das Papiernetz in Wabenform erfand, wurde 1939 ausgebürgert.

Nach Jahren des Verfalls wird der Gebäudekomplex der Geiststraße 21 endlich saniert. Ein Investor aus Lübeck lässt für vier bis fünf Millionen Euro Wohnungen in die einstigen Fabrikgebäude einbauen. „Die 47 Wohnungen unterschiedlicher Qualität sind sowohl für Studenten wie für Familien gedacht. Die neun Gewerbeeinheiten sind für Kleingewerbetreibende jeweils im Erdgeschoss vorgesehen“, erläutert der hallesche Architekt Hans-Jürgen Mönch von der AIC Planungsgesellschaft. Die Ladeneinheiten zur Geiststraße sind bereits vermietet. Der Kunstfilmverleih „Format“ zieht aus dem bisher unsanierten Haus Ecke Thaliapassage in der Geiststraße in den denkmalgeschützten Laden ein.

90 Prozent gingen in den Export

Heilbrun & Pinner ist wegen seiner Größe, aber auch wegen der technischen Neuerungen ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte. Im Jahr 1910 hatte das hallesche Unternehmen Zweigstellen in Paris, London, und New York.

In den 1920er Jahren gingen 90 Prozent der Produkte „made in Halle“ in den Export, nach England und in die USA vor allem. Erfolgreich waren die Hallenser besonders durch die Entwicklung ihres Wabenpapiers nach dem Vorbild der Honigwabe. Fest und leicht - die 1901 patentierte hallesche Technologie war Grundlage für Wabenmaterialien, die etwa in Sandwichbauteilen für den Flugzeugbau verwendet werden.

Am Freitag ist Richtfest in der Geiststraße 21. Bis zum Jahresende soll alles fertig sein. Von der denkmalgeschützten Fabrik bleiben die Gebäude selbst und einige bauliche Details erhalten. Stehen bleibt auch der Schornstein des alten Heizhauses, in dem ein Fitnessraum für die künftigen Mieter eingerichtet werden soll. Den Erhalt der Esse hatte der Denkmalschutz gefordert.

Werbung aus dem Jahr 1913
Werbung aus dem Jahr 1913
Günter bauer Lizenz
Die Fassade der Geiststraße 21 ist derzeit eingerüstet.
Die Fassade der Geiststraße 21 ist derzeit eingerüstet.
Günter Bauer Lizenz