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Impfreihenfolge missachtet Impfreihenfolge missachtet: Keiner Schuld bewusst: So erklärt Wiegand seine Impfung

Von Dirk Skrzypczak und Jan Schumann 06.02.2021, 14:49
Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand beklagt die Falschmeldungen nach dem Anschlag von Halle im Oktober 2019.
Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand beklagt die Falschmeldungen nach dem Anschlag von Halle im Oktober 2019. picture alliance/dpa

Halle (Saale) - In Halle haben sich Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) und zehn Stadträte gegen das Coronavirus impfen lassen – das sorgt in der Bevölkerung wie in der Politik für Entrüstung.

So hat Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) alle Amtsträger ermahnt, sich in der Corona-Pandemie nicht über die bundesweit festgelegte Impfreihenfolge hinwegzusetzen. „Es gibt eine Impfverordnung, in der eine klare Reihenfolge der Impfungen festgelegt ist“, betonte Haseloff am Samstag gegenüber der MZ. „Ich erwarte, dass sich jeder, insbesondere die politisch Verantwortlichen, daran auch halten.“

Katja Müller (Linke), Vorsitzende des Stadtrats in Halle, forderte die betreffenden Stadträte dazu auf, öffentlich Stellung zu beziehen und sich namentlich auch zu bekennen.

„Nur wenn der OB und die Stadträte eingestehen, dass sie einen Fehler begangen haben, lässt sich der Schaden ansatzweise begrenzen.“ Sie finde das Handeln des OB und der Stadträte unverantwortlich: „Das ist verwerflich und bedient das Klischee, dass sich die Politiker zuerst aus den Fleischtöpfen bedienen.“ Der Schaden für die Politik sei immens.

Impfreihenfolge missachtet: Wiegand ist sich keiner Schuld bewusst

Der OB ist sich derweil keiner Schuld bewusst und verteidigt am Samstag das Vorgehen. Er sei am 17. Januar angerufen und gefragt worden, ob er innerhalb von 15 Minuten im Diakonie-Krankenhaus sein könne.

„Ich habe zunächst abgelehnt. Aber mir wurde gesagt, dass der Impfstoff verfällt. Nur deshalb habe ich mich impfen lassen.“ Einen zweiten Termin habe er noch nicht bekommen.

Wer die geimpften Stadträte seien und wie viele Mitglieder beispielsweise aus dem Katastrophenschutzstab ebenfalls geimpft worden sind, könne er nicht sagen. „Ich weiß das nicht.“

Auch Amtsärztin Christine Gröger wollte sich mit Verweis auf ihre ärztliche Schweigepflicht nicht dazu äußern.

Wie Wiegand sagte, habe er die Ärzte im Katastrophenschutzstab damit beauftragt, ein Konzept zu erstellen, wie man mit Impfdosen umgehen soll, die am Abend noch übrig seien – weil Personen zum Termin nicht erscheinen oder erkrankt sind. Vorrang hätten demnach Personen, die als Härtefälle gelten.

Sei niemand aus dieser Gruppe aber zu erreichen, würden mit Hilfe eines Zufallsgenerators Personen ausgewählt, die systemrelevant seien. Dazu zählten neben Mitarbeitern des Rettungsdiensten und diversen Fachärzten auch Stadträte oder der Katastrophenschutzstab.

Impfung per Zufallsgenerator?

„Bedingung ist, dass die Personen dann innerhalb von 15 Minuten vor Ort sein können“, sagte Wiegand. Auf der Liste des Zufallsgenerator stehen laut Gröger etwa 300 Personen.

„Ich sehe zu diesem Verfahren keine Alternative, zumal es keine Vorgaben von Bund und Land gibt, wie mit Impfstoffresten umgegangen werden soll. Unser Verfahren ist transparent“, sagte Wiegand.

Warum dieses Verfahren in keiner der täglichen Pressekonferenzen eine Rolle spielte, begründete der OB so: „Die Journalisten haben nicht nachgefragt. Und ich stelle mich nicht hin und erkläre, dass ich geimpft wurde.“

Seit Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember seien 585 Impfdosen sowohl in Krankenhäusern wie auch bei den Impfteams der Stadt am Ende des Tages übrig gewesen. Diese Dosen habe man nicht verfallen lassen wollen. Deshalb gebe es das Verfahren. Gröger wollte sich nicht dazu äußern, ob diese Impfdosen „unter Hand“ eventuell auch an Privatpersonen verabreicht werden. „Die Impfteams sind belehrt, wie mit den Vakzinen umgegangen werden muss.“

Allerdings widersprach Sachsen-Anhalts Gesundheitsstaatssekretärin Beate Bröcker (SPD) am Samstag Wiegands Argumentation. „Die Rechtslage ist wegen der Impfstoffknappheit eine andere.“

Nur Über-80-Jährige, Pflegebedürftige, Pflegefachkräfte und besonders gefährdetes medizinisches Personal gehörten aktuell zur höchsten Priorität. „Wenn Reste anfallen, sind die Personengruppen zu impfen“, erklärte Bröcker.

So sehen es auch zahlreiche MZ-Leser, die in sozialen Medien dem Oberbürgermeister Amtsmissbrauch und Vorteilsnahme vorwerfen und zum Teil seinen Rücktritt fordern. Durch dieses Handeln würden der OB und die Stadträte Leben gefährden, weil sie jenen Menschen die Impfungen wegnehmen, für die sie gedacht seien.

Am Samstag meldete die Stadt 59 Neuinfektionen sowie zwei weitere Todesfälle im Zusammenhang mit einer Coronainfektion. So seien in einer Kurzzeitpflege ein 90-jähriger Mann und in einer Klinik eine Frau (73) gestorben. Die Sieben-Tage-Inzidenz sank leicht auf 139,09 Fälle pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche. (mz)