"Ich bin ein Kind des Hufeisensees" "Ich bin ein Kind des Hufeisensees": Hobbyhistoriker hat sein achtes Buch verfasst

Halle (Saale) - Wie schon bei den ersten sieben Bänden sind es wohl die Fotos, die bei den Lesern die meisten „ach-schau-mals“ und „stimmt-so-sah-das-damals-aus“ hervorrufen. Im neuesten Buch von Hobbyhistoriker Norbert Richter zu schmökern, ist eine Zeitreise ins Büschdorf der 1990er Jahre.
Schon auf dem Titel ist die alte Büschdorfer Wendeschleife zu sehen. Staubig, mit einer Tatra-Bahn und neben ihr die abgefahrene Straße, die damals noch nach der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft benannt war. Der Unterschied zur heutigen „Delitzscher“: riesig.
Bilder vom „Warenhaus Büschdorf“ am Dorfplatz
Im Buch, das sich mit dem Wandel Büschdorfs zwischen 1990 und 1996 befasst, finden Leser hunderte weitere Fotos. Von Firmen, die es längst nicht mehr gibt zum Beispiel. Bilder vom „Warenhaus Büschdorf“ am Dorfplatz oder vom „Plus-Supermarkt“ gegenüber des heutigen Hornbach-Baumarktes wecken Erinnerungen, genauso wie die kleinen Kioske, mit denen sich mancher nach der Wende selbstständig gemacht hat. Übrig geblieben sind nur die wenigsten.
Hunderte historische Zeitungsartikel verraten mehr über die Themen, die den Büschdorfern auf den Nägeln brannten. Die Eröffnung der „modernen Esso-Großtankstelle“, die damals angekündigt wurde, etwa. Heute gehört sie wie selbstverständlich zur Delitzscher Straße. Auch von Schlägereien und Nazi-Rowdys, die das Musikzelt „Check-Point“, eine damalige Disco unsicher machten, ist die Rede.
„Ich bin ein Kind des Hufeisensees“
Ein ganzes Kapitel widmet Richter, der damals als Feuerwehrmann arbeitete und seit 1981 alle Zeitungsartikel über den halleschen Osten aufbewahrte, „seinem“ Hufeisensee. „Ich bin ein Kind des Hufeisensees“, sagt er und zeigt auf ein Bild in einem Fotoalbum, das ihn in Badehose als Kind im Wasser stehend zeigt. Er weiß so gut wie alles über den ehemaligen Braunkohletagebau, der als „Grube Alwine“ 1911 mit dem Nordfeld Bruckdorf den Ursprung des heutigen beliebten Badesees legte.
Schon 1938 wurde der Tagebau eingestellt, das Wasser aber zum Betrieb der nahen Brikettfabrik und Ziegelei abgepumpt. Ein eigenes Pumpenhaus versorgte die LPG „Halle-Saale-Gemüse“ mit bis zu 10.000 Kubikmetern am Tag. Als das Wasser trotzdem langsam stieg, trafen sich erste Badegäste am See. „Damals sagte man aber nicht, man trifft sich am ,Hufi‘, sondern am ,Schacht‘“, erinnert sich Richter. Einige Badeunfälle erschütterten die Anwohner damals. So, wie das Schicksal eines 14-jährigen Jungen, der nach einem Hangrutsch verschüttet wurde und starb.
Die ersten Wasserskimeisterschaften der DDR
Es sei den Verantwortlichen wohl schon damals aufgefallen, dass dem Industriegebiet in Halle-Ost eine Art grüne Lunge guttun würde. Also pflanzen sie ab 1958 Bäume rund um den Hufeisensee, von denen heute noch Spaziergänger und Badegäste profitieren. An den Betrieb der Wasserskianlage ab 1962/63 hat Richter wechselvolle Erinnerungen. Eines Tages fuhr ihm ein Motorboot beim Schwimmen über den Fuß und verletzte den Hallenser schwer. Die ersten Wasserskimeisterschaften der DDR 1970 auf dem See waren wiederum ein Highlight.
Besonders in den Nachwendejahren, um die es im Buch geht, rückte das Thema Umweltschutz in den Blick der „Hufi“-Anwohner. Auf der einen Seite gründeten sich Bürgerinitiativen wie „Rettet den Hufi“ und die „Grüne Liga“, auf der anderen Seite schaffte so mancher Büschdorfer wohl auch DDR-Altlasten in den ohnehin nie ganz sauberen See, fand Richter heraus.
Der achte Band könnte das Ende der Büschdorf-Reihe einleiten. Nicht weil Richter keine Lust mehr auf die Recherche hat. Egal ob Schokoladenfabrik, Armaturen- und Kesselbaubetrieb, Freiwillige Feuerwehr oder die Geschichte Büschdorfs als „Gemüsedorf“, jedem Schwerpunkt in dem Viertel hat der Hobbyhistoriker schon einen Band gewidmet. „Ich habe einfach alles schon aufgeschrieben und jeden Zeitungsartikel durchgelesen“, sagt er. Aber wer weiß, vielleicht gibt es ja doch noch das ein oder andere Büschdorfer Geheimnis. (mz)