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Von Magdeburg nach halle Mit Video: Hilfe für todkrankes Kind gesucht - Kann Milana ihre letzten Wochen Zuhause verbringen? 

Die fünfjährige Milana liegt in einem Hospiz in Magdeburg im Sterben. Ihre Eltern wollen sie nach Hause nach Halle holen. Doch dafür fehlt eine Wohnung - und Geld. Eine ehemalige Anästhesie-Pflegerin des Mädchens sammelt nun Spenden.

Von Julius Lukas Aktualisiert: 13.12.2023, 16:32
Elena Kravets weicht ihrer Tochter Milana im Kinderhospiz der Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg nicht von der Seite. Sie würde das Kind gern für die letzten Wochen nach Hause holen. Doch dafür fehlt Geld. 
Elena Kravets weicht ihrer Tochter Milana im Kinderhospiz der Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg nicht von der Seite. Sie würde das Kind gern für die letzten Wochen nach Hause holen. Doch dafür fehlt Geld.  (Foto: Julius Lukas)

Magdeburg/Halle/MZ. - Milana grinst, Milana ist konzentriert. Das kleine Mädchen sagt ein Gedicht auf: „Mama, es ist gut, dass es Dich gibt, Mama, Du bist meine Sonne, Du lässt mich wachsen“. Dann, im nächsten Video, zeigt Milana ihrem Papa stolz ein Kunstwerk aus Knete. Ihrem Papa, dem sie nie von der Seite wich, wie in dem Video, in dem er schlafen will, Milana ihn aber wach hält, weil sie immer wieder ihren Kopf auf seinen Bauch legt.

 
Spendenkampagne: Pflegerin sammelt Geld, damit die todkranke Milana aus Halle ihre letzten Wochen zu Hause verbringen kann. Wer kann Milana helfen? (Kamera: Kravets, Schnitt: Christian Kadlubietz)

Milanas letzte Wünsche

Noch ein Video, in dem Milana lacht und singt. Noch ein Video, in dem sie mit dem Fahrrad über einen Spielplatz kurvt. Und dann, der vierte Geburtstag, im November 2022, in Halle. Milana pustet mit aller Kraft, doch die Kerzen ihrer Torte gehen nicht aus. Sie liebt Kuchen, sie liebt Geburtstage. Wie alle Kinder.

Ein Jahr später, wieder ein Video. Milana auf dem Arm ihrer Mutter. Elena Kravets streichelt ihre Tochter, drückt sie an sich. Milana liegt in ihren Armen, unbewegt, abwesend und doch dabei. „Trotz ihres Zustands haben wir ihr gratuliert und gute Worte an sie gerichtet, weil wir wissen, dass sie das in ihrer Seele spürt.“

Schwere Hirnschädigung: Milana wird nicht mehr lange leben

Mit jedem Video, das sie auf ihrem Handy abspielt, mit jeder Szene aus dem Leben ihrer Tochter sammeln sich mehr Tränen in den Augen von Elena Kravets. Es sind die Tränen einer Mutter, die ihr Kind verliert.

Milana wird sterben. Sie hat eine schwere Hirnschädigung und liegt im Kinderhospiz in Magdeburg. Während ihre Mutter die Videos zeigt, hört man sie leise atmen. Sie schläft, so wie die meiste Zeit des Tages. Die starken Schmerzmittel erschöpfen ihren Körper.

Die Wohnung der Familie in Halle ist zu klein

Im Hospiz geht es der Familie gut. Milana hat vier ältere Geschwister. Zwei davon, Diana und Nasar, leben mit in Magdeburg. Wie Elena Kravets haben sie im Hospiz ein eigenes Zimmer, gehen in eine Schule ganz in der Nähe. Die älteren Geschwister, Illja und Veronika, leben mit Milanas Vater in Halle, dort wo auch die Wohnung der Familie ist.

„Unser Wunsch wäre es, für die Zeit, die Milana noch hat, zusammenleben zu können“, sagt Elena Kravets. Doch die Wohnung in Halle sei zu klein. Der Platz, den Milanas Pflege brauche, fehle dort. „Eine größere Wohnung finden wir jedoch nicht und uns fehlt auch das Geld für die Einrichtung und den Umzug“, sagt die 34-Jährige.

Elena Kravets mit ihrer Tochter Milana bei einem Besuch im Tierpark.
Elena Kravets mit ihrer Tochter Milana bei einem Besuch im Tierpark.
(Foto: Kravets)

Den Wunsch der Familie, die Wochen, vielleicht Monate, die noch bleiben, gemeinsam zu verbringen, kennt auch Angelika Kolodin. Auf Familie Kravets traf sie im Krankenhaus, in der Uniklinik in Halle.

Engagement einer Pflegerin

„Ich bin dort Anästhesietechnische Assistentin“, erzählt sie. Bei einem MRT-Termin sei sie Milana das erste Mal begegnet, dem Mädchen mit den blonden Zöpfen und den rehbraunen Augen. Kolodin begleitete sie bei Operationen, nahm ihr die Angst vor der Narkose.

Sie hoffte und bangte und musste erleben, wie sich Milanas Zustand verschlechterte. „Sie war ein schüchternes Kind und so lieb, es zerreißt einem das Herz“, sagt Kolodin, die selbst eine fünfjährige Tochter hat.

Um etwas zu tun, um Familie Kravets irgendwie zu unterstützen, hat die Anästhesie-Schwester eine Spendenkampagne ins Leben gerufen. Auf der Plattform GoFundMe sammelt sie Geld. Für die Fahrten der Familie nach Magdeburg, für den gewünschten Umzug in eine neue Wohnung in Halle, für Milanas Weg nach Hause, ihre letzte Reise.

Milanas Familie floh nach Russlands Angriff aus der Ukraine

Bis April 2022 lebte Familie Kravets noch in der Ukraine, in Saporischschja. Dann kam der Krieg in das Land, in ihre Heimatstadt, in deren Nähe sich das größte Kernkraftwerk Europas befindet. „Als wir sahen, dass die Feindseligkeiten zunahmen, beschlossen wir, zu gehen“, erinnert sich Elena Kravets.

Saporischschja liegt am Fluss Dnjepr, ist strategisch bedeutend. „Die Stadt wird beschossen, fast jeden Tag wird etwas zerstört“, weiß die fünffache Mutter, deren Bruder noch in der Nähe von Saporischschja wohnt.

Milanas medizinischer Hintergrund

Sie verließen die Ukraine wegen des Kriegs. Aber auch wegen Milana, weil ihre medizinische Versorgung nicht mehr sicher war. Schon im Babyalter fiel Milanas übergroßer Kopf auf. Ärzte stellten bei ihr eine zerebrale arteriovenöse Malformation fest.

Die Blutgefäße in ihrem Gehirn sind fehlgebildet und zu Knoten verformt. Dadurch lastet mehr Druck auf den Adern, deren Wände gedehnter sind. Die Gefahr, dass die Gefäße brechen und es zu einer Hirnblutung kommt, ist hoch. Der größte Knoten in Milanas Kopf wuchs bis auf Wachteleigröße heran.

Milana im Alter von vier Jahren.
Milana im Alter von vier Jahren.
(Foto: Kravets)

In Deutschland angekommen, wird das Mädchen weiter ärztlich betreut. Und es ergibt sich die Möglichkeit, sie zu operieren. In Halle, am Uniklinikum. So begegnet der Familie auch Angelika Kolodin, die vor knapp 20 Jahren aus Russland auswanderte und deswegen Russisch spricht.

„Ich konnte mich mit Elena und Milana gut verständigen“, sagt Kolodin. „Und es war auch eine gewisse Nähe da, weil ich ja weiß, wie es ist, in ein fremdes Land zu kommen und von null anfangen zu müssen.“

Mehrere Stunden Operation

Die Operation kurz vor Weihnachten 2022 in der Uniklinik dauert mehrere Stunden. Sie läuft nicht ohne Komplikationen. Es kommt zu Nachblutungen, lange wacht Milana nicht auf. Sie hat Krampfanfälle, immer wieder. Doch sie kämpft und erlangt ihr Bewusstsein zurück.

Die Hoffnung ist da, sie kommt in eine Rehaeinrichtung nach Brandenburg. Doch dann platzt ein Knoten in ihrem Kopf. Die Schädigungen im Hirn der Fünfjährigen sind gravierend.

Außer Schmerzlinderung kann für Milana nichts mehr getan werden. Aus der Klinik in Halle kommt das Mädchen ins Hospiz nach Magdeburg. Es gibt in Deutschland etwa 20 Einrichtungen dieser Art. Sie nehmen Kinder und Jugendliche auf, die eine lebensverkürzende Diagnose haben, Krebs zum Beispiel, Muskelschwund oder Stoffwechselstörungen.

Kinderhospize sind jedoch nicht für den dauerhaften Aufenthalt ausgelegt. Die Kinder und ihre Familien besuchen die Einrichtung, um eine Auszeit vom Alltag zu bekommen. Um durch die Unterstützung der Hospiz-Mitarbeiter aufatmen zu können. Für 28 Tage im Jahr bezahlen Pflege- und Krankenkassen diese Verschnaufpause zu 95 Prozent. Der Rest wird über Spenden finanziert.

Was Elena Kravets bleibt, ist da zu sein

In seltenen Fällen allerdings können die Aufenthalte auch länger dauern. Dann, wenn das Kind bereits im Sterben liegt und es keine andere Unterbringungsmöglichkeit gibt. So wie bei Milana. D

ie Fünfjährige sieht nichts mehr, sie wird über eine Sonde ernährt, bekommt Morphium, um die starken Schmerzen zu dämpfen. Manchmal weint sie leise, mit Tränen und verzerrtem Gesicht. Was sie noch wahrnimmt, lasse sich nicht genau sagen, meint eine Pflegerin.

Man merke aber an ihren Vitalzeichen, ob ihr etwas gefalle oder nicht. Was Elena Kravets bleibt, ist da zu sein. Die Wange ihre Tochter zu streicheln, ihr gut zuzureden, sie auf die Stirn zu küssen. Mehr kann sie nicht tun.

Der Krieg, die Flucht, die Behandlung, die Operation, das Bangen, das Hoffen, die Gewissheit, das Warten – die vergangenen Monate haben Elena Kravets und ihre Familie aller Kraft beraubt. Ihren Schmerz sieht man der fünffachen Mutter an. Wenn sie lächelt, dann nur aus Höflichkeit.

Die 4.000 Euro, die Angelika Kolodin als Spendenziel ausgegeben hat, würden helfen. Um Milanas letzte Reise in ein gemeinsames Zuhause zu ermöglichen. Und wenn es mit einer größeren Wohnung nicht klappt, hat Elena Kravets schon einen anderen Verwendungszweck: „Wir würden von dem Geld dann die Beerdigung bezahlen“, sagt sie.

Wer Milanas Familie unterstützen möchte, kann das auf GoFundMe tun: https://www.gofundme.com/f/milana-liegt-im-sterben-bitte-spendet

Wann es so weit ist, wann Milana sterben wird, können auch die Ärzte nicht sagen. Dass sie ihren Kampf verlieren wird, ist jedoch sicher. „Milana ist in einem stabilen, aber ernsten Zustand“, sagt Elena Kravets: „Wir warten nur darauf, dass sie in den Himmel kommt“.