Hochwasser in Halle 2013 Hochwasser in Halle 2013: Drama am Deich

Halle (Saale)/MZ - Zwischen den Baumstümpfen wächst schon wieder Gras. Die großen Holzstapel neben der verrammelten Eissporthalle sind abtransportiert. An einen Dammbau erinnert heute am Gimritzer Damm entlang der Halle-Saale-Schleife kaum etwas. Dabei rückten hier am 15. Juli des vergangenen Jahres - gut einen Monat nach dem Hochwasser - die Bauteams der Firma Papenburg an, um den neuen Deich in Eigenregie der Stadt zu errichten. „Dieser Bau duldet keinen Aufschub, es besteht Gefahr für Leib und Leben“, sagte Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) damals zur Begründung. Gut eine Woche später wurde das Vorhaben gerichtlich gestoppt. Seitdem ruhen die Arbeiten. Dass es einen neuen Deich für Neustadt braucht, darüber sind sich alle einig. Das liegt an den dramatischen Erfahrungen mit der Flut vor genau einem Jahr.
Der Deich wird aufgegeben
Am frühen Morgen des 5. Juni 2013 aber schlug im Katastrophenstab der Stadt Halle die Nachricht, dass die Einsatzkräfte sich vom Gimritzer Damm zurückziehen müssen, wie eine Bombe ein. Der Deich wird aufgegeben - so die Hiobsbotschaft, die gegen 3 Uhr abgesetzt wird. Der Krisenstab hält die Luft an. Doch den Helfern am Gimritzer Damm bleibt keine Wahl. Wasser läuft über den Deich in Richtung Neustadt, die Sandsäcke gehen zur Neige. Auch Feuerwehrmann Marcel Jockisch ist im Einsatz.
Der heute 25-Jährige hat die Tage damals nicht vergessen. „Es ist mir erst im Nachhinein bewusst geworden, in welcher Gefahr wir Feuerwehrmänner eigentlich selbst waren“, sagt er. Tagelang hatte er nicht geschlafen, kämpfte an jeder Stelle für den Deich. Schleppte Sandsäcke, sicherte den Damm. Wie er standen die Feuerwehrleute dem Hochwasserscheitel, der sich mit 8,10 Meter durch Halle wälzte, scheinbar machtlos gegenüber. „Wir haben nur einfach noch alles auf den Damm gelegt, was ging“, erinnert sich Jockisch.
Dramatischste Stunden während der Jahrhundert-Flut
Es waren die wohl dramatischsten Stunden während der Jahrhundert-Flut in Halle. Tausende hatten zuvor um den Deich gekämpft. Einsatzkräfte von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk ebenso wie zivile Helfer. Noch in der Nacht wird über eine Evakuierung weiter Teile Neustadts nachgedacht. Zehntausende hätten ihre Wohnungen verlassen müssen, weite Teile des Stadtteils wären überflutet worden. Doch zunächst soll keine Panik geschürt werden. Im Hintergrund aber läuft der Plan an. Die Havag stellt an vorher festgelegten Evakuierungspunkten Busse bereit. Wer seine Wohnung verlassen will, kann das im Laufe des Tages freiwillig machen. Zwangsevakuierungen soll es nicht geben. Viele nutzen das Angebot, kommen unter anderem in der Brandbergehalle unter. Oftmals ist es aber auch die Not, die die Neustädter dazu zwingt. Denn vielerorts wird der Strom aus Sicherheitsgründen abgestellt. Die Polizei patrouilliert, um Plünderungen zu vermeiden.
Auf der nächsten Seite erfahren Sie, wie es mit dem Deich am Gimritzer Damm weiter geht.
Im Lauf des Tages wird entlang des Rennbahnkreuzes ein Behelfsdeich aus Sandsäcken errichtet. Wieder helfen Hunderte Hallenser, packen mit an. Auch am Gimritzer Damm selbst werden die Arbeiten wieder aufgenommen. Mit Erfolg. Der Deich kann gehalten werden.
„Dafür sind wir ja Feuerwehrmänner“
„Als es vor ein paar Wochen wieder so regnete, haben wir uns mit den Kameraden noch einmal an die Ereignisse vom Vorjahr erinnert“, sagt Jockisch. Er würde jederzeit wieder helfen, wo er kann. „Dafür sind wir ja Feuerwehrmänner“, sagt der junge Familienvater.
Dass es aber noch mal gelingt, den Deich zu halten, scheint fraglich. Wiegand sagt, dass der alte Deich nicht verteidigungsfähig wäre. Ein Neubau müsse her - so schnell wie möglich. Ende des vergangenen Jahres schien eine Lösung in Sicht, nach dem die Verwaltungsgerichte den Neubau in Eigenregie der Stadt gestoppt hatten. Am 16. Dezember verkündeten Wiegand und Umweltminister Hermann Onko Aeikens (CDU), dass der Gimritzer Damm bis Ende 2014 fertig sein soll.
Danach sieht es mittlerweile nicht mehr aus. Denn gegen den neuen Verlauf entlang der Halle-Saale-Schleife hat sich die Interessengemeinschaft Hochwasserschutz Altstadt gegründet. Sie fordert, dass der neue Deich entlang der alten Linie gebaut wird. Die Initiative befürchtet, dass durch eine Vorverlegung des Dammes die Hochwassergefahr in der Innenstadt steigen könnte. Die Anwohner wollen im Zweifel klagen.
Diese Befürchtungen haben mittlerweile auch den Stadtrat in Halle erreicht. Die Fraktionen von Mitbürgern und die Grünen fordern einen anderen Standort für die Eissporthalle. Die alte Halle müsste dann nicht mehr durch einen vorgeschobenen Deich geschützt werden. Dagegen hat sich OB Wiegand klar ausgesprochen. Er verweist auf die Planungen seit dem Jahr 2011. Schon damals sei von einem Verlauf entlang der Halle-Saale-Schleife ausgegangen worden.
Vorentscheidung im Stadtrat
Am 25. Juni wird im Stadtrat eine Vorentscheidung fallen, wenn der Standort für die neue Eissporthalle festgelegt wird. Ob es zu einer Umplanung durch das Land kommt, ist ungewiss. Das Umweltministerium geht in diesem Fall von einer Bauverzögerung von mindestens einem Jahr aus. Schon jetzt ist der Zeitplan für den Bau kaum noch zu halten. Laut dem Land wird der Damm nicht Ende dieses Jahres fertig. Stattdessen spricht das Ministerium nur noch von einem „signifikanten Baufortschritt“ in diesem Jahr.

