Herrenschneiderei am Jägerplatz Herrenschneiderei am Jägerplatz: Neue Stolpersteine erinnern an jüdisches Ehepaar

Halle (Saale) - Hugo und Bertha Arnholz wohnten in den 1920er Jahren am Jägerplatz und betrieben dort eine Herrenschneiderei. Für das jüdische Ehepaar, das seit 1931 dann in der Nähe des Bahnhofs wohnte, zog sich die Schlinge der Repressalien des NS-Regimes schnell zu: Hugo Arnholz musste 1939 die Werkstatt aufgeben und durfte fortan nur noch für die Kleiderkammer der jüdischen Gemeinde arbeiten.
Doch auch das unter der Befehlsgewalt der Gestapo. Als er sich weigerte, den Judenstern zu tragen, wurde er verurteilt und schließlich in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. 1942 wurde er in der Gaskammer der Landes-Heilanstalt Bernburg getötet. Noch im selben Jahr wurde seine Ehefrau ins Vernichtungslager Sobibor gebracht und dort getötet. Mit zwei Stolpersteinen soll nun am Freitag an das Ehepaar erinnert werden.
Seit 2003 beteiligt sich Halle an dem Projekt „Stolpersteine“
Seit 2003 beteiligt sich Halle an dem Projekt „Stolpersteine“, das an politisch oder rassistisch verfolgte Menschen erinnert, die während der Nazizeit ermordet wurden. 245 Stolpersteine sind bereits im Stadtgebiet verlegt worden, am Freitag werden drei weitere von dem Künstler Gunter Demnig eingelassen.
Wie auch für die Biografien von Bertha und Hugo Arnholz hat der Verein Zeit-Geschichten die Lebensgeschichte der dritten Person - Simon Schwarz (1866-1942) - recherchiert, für die ein Stolperstein verlegt wird. Die Historikerin Juliane Bischoff kann hierfür auf Informationen des Vereins zurückgreifen, aber sie recherchierte auch in mehreren Staats- und Universitätsarchiven sowie in den Stadtarchiven von Halle und weiteren Städten.
„Wir wollen die Personen dem Vergessen entreißen und an sie erinnern.“
Der große Aufwand bei der Recherche, so Anne Kupke vom Vorstand des Vereins, sei notwendig: „Wir wollen die Personen dem Vergessen entreißen und an sie erinnern. Das kann man nicht nur mit der Angabe des Geburts- und Todesdatums.“
Simon Schwarz, und das ist das Besondere bei dieser Stolperstein-Verlegung, lebte eine Zeit lang im selben Haus wie das Ehepaar Arnholz in der Straße Am Güterbahnhof. Der gebürtige Kölner, der aus einer Rabbinerfamilie hervorging, ließ sich bereits 1904 christlich taufen - damals war er 38 Jahre alt. Der Rechtsanwalt war ein Jahr zuvor nach Halle gezogen, wo er bis kurz vor seinem Tod 1942 lebte.
„Es ist mir ein dunkles Gerücht zu Ohren gekommen“
Doch 1939 wurde er im Auftrag der Gestapo in das Büro des damaligen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde bestellt und sollte sich dort als Jude registrieren lassen. Was der Grund war, erklärte er in einem Schreiben klipp und klar: „Ich bin tief gerührt darüber, dass Sie den ehrenvollen Auftrag erhalten haben, alle hier ansässigen - oder auch die aufsässigen? - Juden zu erfassen.
Es ist mir ein dunkles Gerücht zu Ohren gekommen und Ihr ’Abt. Auswanderung’- Stempel scheint eher dafür als dagegen zu sprechen -, man beabsichtige, alles Einschlägige, was nicht wenigstens 60 oder gar 70 Jahre alt sei, möglichst zur Abwanderung zu zwingen, alias sie, zur größeren Ehre des nordischen und Rasse-Gedankens, hinauszuschmeißen.“
In der Folge diagnostizierte ein Arzt eine Alterspsychose
Denn laut der „Rassegesetze“ der Nationalsozialisten galt Simon Schwarz trotz seiner Taufe als Jude. Deswegen, so die Recherchen von Juliane Bischoff, musst er auch 1939 seine Wohnung am Weidenplan räumen und in einem Zwangsumzug in die Mieträume Am Güterbahnhof 1 einquartiert. Der schlechte gesundheitliche Zustand des 73-Jährigen wurde zusehends kritischer.
In der Folge diagnostizierte ein Arzt eine Alterspsychose und wollte ihn 1942 in die Nervenklinik des Universitätskrankenhauses einweisen. „Wegen fehlender Kapazitäten dort wurde der Patient einen Tag später in die Landesheilanstalt Altscherbitz bei Leipzig gebracht.
Nur fünf Tage später, am 6. Oktober 1940, war er tot“, so Juliane Bischoff. Auf dem Totenschein wurde Marasmus, also abnehmende Lebenskraft im hohen Alter, angegeben. Ob dies die tatsächliche Todesursache war, ist unklar. Altscherbitz, so die Wissenschaftlerin, habe nicht zu dem Tötungsanstalten gehört, „aber Giftspritzen sind hier nicht ausgeschlossen.“ (mz)