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Heimliche Hallenser Heimliche Hallenser: Johann Wilhelm Ludwig Gleim - der Freundschaftsdichter

Von Detlef Färber 07.01.2020, 16:00
Johann Wilhelm Ludwig Gleim, 1771 gemalt von Johann Heinrich Tischbein.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim, 1771 gemalt von Johann Heinrich Tischbein. Gleimhaus

Halle (Saale) - Es ist keinesfalls die heutzutage sprichwörtliche „immer gleiche“ oder gar „alte Leier“, von der der Dichter in seinem Lied „An die Leier“ spricht. Viel mehr ist wohl die für einen ganzen Zweig des Literarischen, die Lyrik nämlich, namensgebende Lyra, die Ludwig Gleim besingt - in seinem Gedicht, das wie ein Fazit seines Lebens klingt.

„Angeworben manchen Freund, / liebe Leier, hast du mir, / und geschlagen manchen Feind; / schönen Dank sag’ ich dafür.“ Dichtung als Lebenselixier eines Mannes also, der den Kampf, ja der sogar Schlachten, aber ebenso die Liebe und nicht zuletzt und vor allem auch die Freundschaft besungen, spricht bedichtet und damit also auch beschworen hat.

Halberstadt war der Ort seines Lebens und Wirkens

Halberstadt war dabei der Ort seines Lebens und Wirkens - und im Falle des vor genau 300 Jahren geborenen Musensohns muss und darf man sagen, diese Stadt ist es immer noch, denn von dort aus entfaltet sich weiterhin das Gleimsche Netzwerk von Freundschaft, von kulturellem Austausch und gegenseitig inspirierendem Miteinander, wie es die soeben zu Ende gegangenen Landesliteraturtage Sachsen-Anhalts 2019 unter der Regie des Gleimhauses unter Beweis gestellt haben.

Ein Ort im übrigen, der auch über das Jubiläumsjahr hinaus so etwas wie ein Kraftfeld und ein Zentrum für die Literaturpflege einerseits und somit auch für die so schwierige Vermittlung aktueller Literatur im Lande zu sein scheint.

Gönner, Kunstsammler und großzügiger Gastgeber

Freilich: All das wäre wohl kaum denkbar gewesen ohne Gleims geistige und soziale Anfänge, die in Halle lagen und die nun auch diesem Dichter und Weisen Eingang verschaffen in den erlauchten Kreis der „heimlichen Hallenser“. Denn Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803), geboren in Ermsleben bei Aschersleben als Sohn eines Steuereinnehmers, hat drei Jahre in der Saalestadt verbracht, hier ab 1738 die Rechte studiert und die für fast jeden gut „vernetzten“ Akademiker so unerlässlichen Freundschaften fürs Leben geschlossen - zumindest aber den Grundstein gelegt für seinen fast schon legendären Freundes- und Brieffreundeskreis.

Gleim, der es sich später leisten konnte, ein Gönner, Kunstsammler und großzügiger Gastgeber zu sein, lebte noch in Halle einerseits von einem Stipendium und war anderseits auf die Nutzung von „Freitischen“ bei Professoren angewiesen.

In stetiger Unsicherheit bezüglich seiner beruflichen Zukunft

Doch nutzte er die Zeit, um hier neben den Jura-Vorlesungen auch solche an der philosophischen Fakultät zu hören und vertiefte sich sowohl in die aktuelle wie in die antike Literatur, die vor allem in Gestalt einer nacheifernden Verehrung des altgriechischen Lyrikers Anakreon (570-495 v. Chr.) eine wichtige Rolle spielte bei jenem „zweiten halleschen Dichterkreis“, den Gleim und seine hiesigen Freunde in seiner Studienzeit etablierten.

Während Gleim sein Studium noch in eher prekären finanziellen Verhältnissen und in stetiger Unsicherheit bezüglich seiner beruflichen Zukunft absolvieren musste, änderte sich das schon bald, nachdem er zunächst eine Hauslehrerstelle in Potsdam angetreten hatte und später als Verwalter in die Dienste diverser regierender Fürsten wie in die des „Alten Dessauers“ trat.

Ab 1747 begann er dann seinen Dienst als Domsekretär des Domstifts

Ab 1747 begann er dann seinen Dienst als Domsekretär des Domstifts in Halberstadt, wo er volle 50 Jahre amtierte - bis zu seiner Erblindung. Der unverheiratet gebliebene Gleim nutzte seine Zeit, Bekanntheit und Wohlhabenheit, um seine Stellung auch außerhalb seiner beruflichen Funktion zu festigen und Freundschaften, Kontakte und Korrespondenz mit etlichen der großen Geistern seiner Zeit wie Herder, Gellert, Lessing oder auch Gottfried August Bürger zu pflegen - in seinem Haus, das er als „Tempel der Freundschaft und der Musen“ für viele offenhielt.

Wie um sein Wirken im Sinne einer Bürgerkultur des intellektuellen Austauschs ein Denkmal zu setzen, ließ Gleim viele seiner Freunde von bekannten Malern wie Johann Heinrich Tischbein porträtieren. Und sich selbst zur Komplettierung dieser Sammlung zum Glück auch.  (mz)