Havag-Schienennetz in Halle Havag-Schienennetz in Halle: Weichenschlosser arbeiten im Takt der Straßenbahn

halle (saale) - Bei minus zehn Grad sind die Finger von Harald Bokel (54) und René Schäfer (49) ungelenk. Handschuhe stören nur, wenn die beiden Weichenschlosser der Halleschen Verkehrs AG (Havag) feines Werkzeug oder Schrauben packen müssen. „Das ist manchmal eine ganz schöne Friemelarbeit“, sagt Bokel. Und dann kommt auch noch alle zehn Minuten eine Straßenbahn vorbei.
Job bei der Havag
Das ist der Grund, warum die Schicht für die beiden regelmäßig bis Mitternacht geht. „Tagsüber haben wir vielleicht fünf, manchmal sogar nur drei Minuten, in denen wir durchgehend etwas reparieren oder warten können“, erzählt Bokel. Nachts hingegen fahren die Bahnen nicht so oft. Jedes Mal müssen sie ihre Baustelle räumen, Warnkegel abbauen und die Weichen wieder abdecken. Nach mehr als 20 Jahren in ihrem Job bei der Havag sind die Arbeitsschritte wie einstudiert. Beim turnusmäßigen Wartungsdienst der Weichen werden die beweglichen Stellen geölt und kontrolliert, ob etwas in schlechtem Zustand ist oder sogar fehlt. Oft müssen Bokel und Schäfer die Aufhängungen der lockeren Weichenzungen festziehen. „Jetzt im Winter gibt es durch die Temperaturschwankungen auch häufig Weichenbrüche“, erklärt Harald Bokel. Was der Mechanik zusätzlich zu schaffen macht, ist der Sand, den die Straßenbahnen auf die Gleise streuen, um mehr Traktion zu bekommen.
Etwa 400 Weichen gibt es im 180 Kilometer langen Schienennetz der Havag, das von Trotha bis Bad Dürrenberg und von Büschdorf bis Neustadt reicht. Die ältesten noch befahrenen Gleise sind von 1920 und liegen im Betriebshof Seebener Straße. Die Wartungszyklen der Gleisanlagen sind abhängig von Bauweise und Belastung durch den Straßenbahn- und Autoverkehr. Mal kontrollieren Bokel und Schäfer zweimal die Woche, manchmal aber auch nur alle fünf Jahre.
Stahlqualität und Walztoleranz müssen stimmen
Neben den Weichenschlossern gibt es noch die Schienenschweißer, die Gleise reparieren und gegebenenfalls tauschen. An den Schienen verschleißt gerne die Fahrfläche und zusätzlich in Gleisbögen die seitliche Schienenkante, sowie Befestigungen zur Einhaltung der Spurweite. Die Gleise halten im Schnitt zwischen 15 und 40 Jahren, am Kleinschmieden in der Nähe des Marktplatzes sogar noch kürzer. „Das kommt durch die sehr engen Bögen und die vielen Linien, die dort fahren“, sagt Bokel. Für neue Schienen sind die Anforderungen hoch, Stahlqualität und Walztoleranz müssen stimmen. „Das erfüllen nur wenige Hersteller, wir schreiben die Lieferung europaweit aus“, sagt Havag-Sprecherin Iris Rudolph. Ein Schienenwalzwerk befindet sich beispielsweise in Österreich. Die meisten Weichen kommen aus Werken in Thüringen und Sachsen.
René Schäfer und Harald Bokel finden gut, dass die Weichen in der Heimat produziert werden. „Je besser die Verarbeitung ist, desto weniger Arbeit haben wir“, sagt Bokel. Es ist aber trotzdem noch genug, in ihren Acht-Stunden-Schichten wird es oft stressig. Vor allem, wenn Defekte im Gleisnetz gemeldet werden. Aber dann quert wenigstens nicht alle paar Minuten die Straßenbahn. (mz)