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Hallunken-Schunkel Hallunken-Schunkel: Road-Trip durch Halle

Von Oliver Müller-Lorey 30.05.2016, 13:53
Einsteigen bitte! Anja Wittrien sitzt hinterm Steuer der Hallunken-Schunkel.
Einsteigen bitte! Anja Wittrien sitzt hinterm Steuer der Hallunken-Schunkel. Lutz Winkler

Von sich selbst sagt Anja Wittrien: „Ich bin Halles bekanntestes Verkehrshindernis.“ Aber, sagt sie und zuckt mit den Schultern, der Motor des 22 Meter langen Busses hätte eben gerade an Steigungen ordentlich zu tun. „Manchmal hupen Autofahrer hinter mir. Ich bekomme auch so manche Geste gezeigt. Aber wir Fahrer schmunzeln darüber“, sagt sie. Wittrien, die Frohnatur, steht da „drüber“.

Wer in der „Hallunken-Schunkel“, die in Halle jeder Autofahrer kennt, sitzt, bekommt von dem Stau sowieso nichts mit. Auf drei Routen geht es durch die Saalestadt. Entweder eine gute halbe Stunde durch die Altstadt oder eine knappe Stunde durchs „grüne Halle“, vorbei an der Burg Giebichenstein und am Zoo entlang, dann durch Halles Norden mit Hauptblickrichtung auf die Architektur. „Bei mir fahren Touristen genauso mit wie Hallenser“, sagt Wittrien. „Es gibt auch Wiederholungstäter, die immer wieder mitfahren, zum Beispiel weil sie ihren Gästen Halle zeigen wollen.“

Ein einmaliges Gefährt

Die Arbeit hinterm Steuer der Hallunken-Schunkel ist für die nun 42-Jährige etwas ganz Besonderes, auch wenn sie mit größeren Fahrzeugen schon Erfahrung hat. Zunächst war sie Linienbus-Fahrerin in der Nähe von Leipzig. Doch die Arbeitszeiten waren unregelmäßig und mit ihrem Freund wollte sie ihre Freizeit besser planen können. Also bewarb sie sich als Fahrerin der Hallunken-Schunkel und bekam den Job.

„Das ist wirklich ein einmaliges Gefährt. Der Bus ist eine Sonderanfertigung, den gibt es so in Deutschland nicht noch einmal“, sagt sie. Außerdem würden Frauen sowieso so selten Busse fahren. Doch die Hallunken-Schunkel, die zuvor im nordrhein-westfälischen Münster durch die Stadt fuhr, ist in die Jahre gekommen. Die Betreiber mussten viel investieren, um sie fitzuhalten - und überlegten zeitweise sogar, sie durch eine andere Bahn zu ersetzen.

Grund für die hohe Belastung sind auch Halles Straßen. „Die Achsen verschleißen hier recht schnell“, sagt Wittrien. „Da muss man auch selbst manchmal basteln.“

Wittrien liebt ihre Schunkel

Die Wettinerin liebt ihre Schunkel. Immerhin verbringt sie viel Zeit darin, manchmal selbst in den Pausen. Gegen Mittag, wenn sie vor der Marktkirche geparkt hat und auf Gäste für die zweite Tour wartet, stellt sie sich einen Hocker auf die Stufen des Busses und lässt die Beine baumeln. In diesen Pausen hat sie kaum fünf ruhige Minuten, weil sie dann dauernd von Fahrgästen und Interessierten angesprochen wird. Manchmal geht sie in den Pausen deshalb auch in ein Café oder Restaurant und isst eine Suppe. „Manche erkennen mich aber trotzdem und sagen: ,Sie sind doch die Fahrerin!’“.

Offen und kommunikativ sollte man für den Job schon sein, ist sich Antje Wittrien sicher. Während der Touren kommen die meisten Erklärungen zur Stadt vom Band. Aber wenn lange Pausen dazwischen sind oder die Bahn im Stau feststeckt, greift auch sie manchmal zum Mikro und erzählt den Gästen etwas über die Stadt. Woher sie das Wissen hat? „Ich habe mir einiges angelesen“, sagt sie. Bevor die Tonbandansagen möglich waren, fuhren Gästeführer mit und auch heute können Gruppen einen Experten mitnehmen. Da hört die Schunkel-Fahrerin mit einem Ohr immer zu - und lernt so beim Fahren einiges über die Stadt.

Besser als Autofahren

In ihrem Job ist sie damit Fahrerin, Technikerin, Gästeführerin, Anlaufpunkt und Gesprächspartner für Touristen und Hallenser zusammen. Das Benzin im Tank der Schunkel reicht zwei bis drei Tage, dann muss sie nachfüllen. Und nachts steht der 22-Meter-Bus auf seinem Parkplatz in der Berliner Straße. Dann muss Wittrien die Hallunken-Schunkel wieder mit ihrem Auto tauschen - leider. „Die Bahn zu fahren, macht mehr Spaß als das eigene Auto“, sagt sie. (mz)