Hallescher FC Hallescher FC: Die Tragödie im Hinterkopf

Halle (Saale)/MZ. - Ein Augenblick kann ein Leben für immer verändern. Meistens kommt er spät, manchmal nie. Doch HFC-Neuzugang Philipp Zeiger musste nur 19 Jahre alt werden für ein solch einschneidendes Erlebnis.
Es geschieht nach einem Spiel der Landesauswahl Sachsen. "Ich war der einzige, der damals einen Führerschein hatte. Deshalb musste ich fahren", erzählt er. Auf der Rückfahrt kann Zeiger sein Auto auf der regennassen Fahrbahn der A 14 bei Grimma nicht mehr kontrollieren. Er prallt mit voller Wucht in einen Lkw.
Vier Mannschaftskameraden von Dynamo Dresden, wo er damals spielt, hat er an Bord. Yves Dießner und Richard Schöne, beide damals ebenfalls 19 Jahre alt, werden schwer verletzt, liegen sogar zwei Wochen lang im künstlichen Koma. Der eine mit Gehirnblutung, der andere mit Gesichtsfrakturen.
Dem 22-jährigen defensiven Mittelfeldspieler fällt es auch drei Jahren später immer noch schwer, über das Ereignis zu sprechen. Aber er tut es. Und das sagt viel aus. "Das waren 14 extrem schwere Tage für mich", sagt Zeiger heute. "Ich habe mich als Fahrer verantwortlich gefühlt." Er selbst kommt wie seine Mitspieler Maik Kegel und Jakob Schütze mit einem Schädelhirntrauma davon, kann eine Woche später schon wieder trainieren. Doch bei Dießner ist lange fraglich, ob er überhaupt wieder gesund werden oder behindert bleiben würde. "Ich habe jeden Tag mit seiner Familie telefoniert", sagt Zeiger. Auch er selbst braucht psychische Hilfe. "Ich hatte damals eine gute Freundin, die Psychologie studierte. Die langen Gespräche mit ihr haben mir sehr geholfen, darüber hinweg zu kommen."
Der Unfall prägt Philipp Zeiger bis heute. "Ich habe gelernt, dass es nicht nur Fußball im Leben gibt." Es ist kein inhaltloser Spruch bei ihm. Der 1,94 Meter große Fußballer wirkt für seine 22 Jahre sehr ruhig, besonnen, erwachsen. Und er hat seine Schlüsse gezogen. Nach seinem Abitur und Zivildienst absolvierte er ein Studium zum Diplom-Sportmanager. "Für mich stand fest, dass ich irgendetwas neben dem Fußball machen muss. Ansonsten steht man am Ende mit nichts in der Hand da." Drei Jahre lang hat er neben dem täglichen Training bei Dynamo Dresden pauken müssen. "Man muss schon diszipliniert sein", sagt Zeiger, auch wenn es ihm als Saisonarbeiter immer schwer fiel. "Ich mache die Arbeit eigentlich erst dann, wenn sie fällig wird." Aber er weiß, warum er es tut. Der Unfall hat ihm vor Augen geführt, "dass die Karriere von heute auf morgen vorbei sein kann".
Zeiger ist seit über drei Jahren mit seiner Freundin liiert. Sie wird demnächst nach Halle nachkommen. Zurzeit hat er noch ein Zimmer im Wohnhaus in Halle-Silberhöhe, in dem auch mehrere andere HFC-Profis untergebracht sind. Über das Leben dort sagt Zeiger: "Wir sind alle keine Jugendlichen mehr, aber es ist schön, mal mit jemandem reden zu können."
Der Unfall hatte seine Konsequenzen. Zum Glück nur für Zeiger selbst und seine Einstellungen. Seine Teamkollegen trugen keine bleibenden Schäden davon. Dießner und Schöne konnten nur sieben Wochen später das Drittligaspiel von Dynamo gegen Kickers Offenbach wieder besuchen. Und auch mit ihrer Fußballer-Karriere ging es weiter: Mittelfeldspieler Dießner und Stürmer Schöne spielen jetzt zusammen beim Heidenauer SV in der Oberliga Süd.
Philipp Zeiger hat sich den Durchhaltewillen von damals bewahrt. Der hilft ihm vor zwei Jahren ein weiteres Mal, als Ärzte bei ihm eine Herzmuskelentzündung diagnostizieren. Wieder ist seine Karriere auf Eis gelegt. "Acht Wochen lang durfte ich gar nichts machen, man muss einfach abwarten, bis es heilt." Trotzdem sei er sicher gewesen, dass es bei ihm weitergehen werde, sagt Zeiger. Aber ein wenig Sorgen habe er sich schon gemacht. Schließlich hat diese Erkrankung schon einige Kicker die Karriere gekostet.
Für Philipp Zeiger ging es tatsächlich weiter. Er kam vom VFC Plauen nach Halle, machte also den Schritt aus der vierten in die dritte Liga. Aber selbst wenn der am Ende nicht klappen sollte. Zeiger weiß: Es gibt weitaus Schlimmeres.