Halle Halle: Wunderwelt aus Vasen-Wesen
Halle (Saale)/MZ. - Die Blumen haben's gut, die in solchen Vasen stehen dürfen! Oder die Äpfel, die jemand in solche Schalen legt. Und der Tee oder Kaffee, der aus solchen Kannen gegossen und aus solchen Tassen genossen wird - wenn, ja wenn jemand den gelegentlich behaupteten Nutzungszweck dieser Keramik-Objekte überhaupt wahrzunehmen wagt. Denn Keramik als Handwerk bietet zwar nützliche Dinge zum Gebrauch - als Kunst darf sie dagegen zweckfrei sein. Und diese Keramik hier ist zweifelsfrei Kunst: Ganz egal ob sie Kanne, Vase, Tasse oder Schale ist - oder nur irgendein undefinierbares Unding von zauberhafter Gestalt.
Letzteres gibt es zahlreich in der neuen Ausstellung, die am Montag in der Zeitkunstgalerie eröffnet worden ist. Die Schau bringt ein Wiedersehen mit einem alten Hallenser: Karl Fulle ist Burg-Absolvent und war Dozent und später Gastprofessor an der hiesigen Kunst-Hochschule - vor nun auch schon wieder fünf Jahren Jahren. Der inzwischen 60-jährige stammt aus dem Eichsfeld, ist aber seit über 30 Jahren Wahl-Preuße, der in Neuruppin beziehungsweise Rheinsberg lebt und arbeitet.
Die Spannung zwischen nüchtern preußischem Empfinden und dem Hang zu barocker Farb- und Formen-Fülle, der in Fulles katholischer Heimat vorherrschte, prägt und befruchtet auch heute noch seine Arbeit - und der Reichtum der Natur in seiner ländlichen Heimat hier wie da. Nach deren Vorbildern bringt Karl Fulle seine Objekte dann auch buchstäblich zum Erblühen. Damit setzt er sich freilich ein ganzes Stück ab von seinen künstlerischen Wurzeln in der viel besungenen halleschen Keramikerschule. Die liebt es vom Material her ja oft eher schroff - und macht so etwas melancholisch.
Anders bei Karl Fulle, der seine in Halle erworbene Kunstfertigkeit mit mitgebrachter und anderswo vorgefundener Lebensfreude kombiniert - was zu doch sichtbar anderen Ergebnissen führt. Dem halleschen Maler-Philosophen Rüdiger Giebler, der am Montag wieder - gewohnt brillant - die Rede bei der Vernissage hielt, fällt zu Fulles Keramik gleich die größtmögliche Parallele in der irdenen Kunst ein: Die zum Herrgott, der aus Erde, sprich Ton, den Menschen - genauer gesagt den Mann - knetet und ihm anschließend Leben und Seele einhaucht. Doch Fulles Keramik muss Giebler offenbar noch stärker an das später aus der Rippe geschnitzte göttliche Sekundärprodukt erinnert haben - was ihn zu einem wunderbaren Satz inspirierte: "Alle beseelten Objekte haben geheimnisvolle Rundungen."
Was dann vielleicht auch zutrifft auf die merkwürdigen Vasen-Wesen und Schalen- oder Kannen-Figuren aus Karl Fulles Keramik-Wunderwelt. Sie alle nämlich kann man beim besten Willen nicht seelenlos nennen. Und leblos schon gar nicht. Vieles wirkt sogar so lebendig, als könne es sich augenblicklich fortbewegen. Und vielleicht werden diese schönen Stücke das ja tatsächlich tun, denn Fulles Keramik-Kunst kann die Galerie leicht auf dem Verkaufsweg verlassen. Halbwegs bezahlbar für diese Qualität ist sie jedenfalls.
Die Ausstellung ist in der Zeitkunstgalerie in der Kleinen Marktstraße 4 zu sehen - bis 21. Oktober: dienstags bis freitags, 11-18.30 Uhr, samstags 10-15 Uhr.