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Halle Halle: Schon ein Lächeln ist ein Erfolg

Von PETRA BUCH 28.03.2011, 19:50

Halle (Saale)/DPA. - Ganz zufrieden ist Ilse Krippendorf mit ihrer Arbeit nicht. "Das ist ein bisschen eckig", sagt die 85-Jährige und zeigt der kleinen Lena die Blume, die sie aus Buntpapier konzentriert mit einer Schere gefertigt hat. "Ich finde das aber gerade schön, so sieht nicht alles gleich aus", erwidert die Zehnjährige - und strahlt die Rentnerin so vertraut an, als wäre sie ihre Großmutter. Doch die Seniorin, die in den Franckeschen Stiftungen in Halle mit Kindern aus der Montessori-Schule eine Wand zum Thema Frühling gestaltet, wohnt im Haus der Generationen.

60 Menschen unter einem Dach

Hier leben 60 Menschen. Davon sind 47 in ihrem alltäglichen Leben eingeschränkt - viele sind an Demenz erkrankt. 35 Beschäftigte kümmern sich um die Frauen und Männer, die hier in eigenen Räumen leben. Die kleine Annabell findet es schön bei den Rentnern zu sein, "weil ich wissen will, wie sie gelebt haben, denn ich kann mir das nicht so richtig vorstellen", so die Schülerin, die regelmäßig mit den Senioren unter fachlicher Aufsicht zusammen ist. Sie findet auch Spaß daran, mit ihnen Plätzchen zu backen oder zu singen.

Das Haus, das zur Paul Riebeck Stiftung gehört, wurde als bundesweites Modellprojekt der Initiative "Land der Ideen" ausgezeichnet. Das Konzept zielt darauf ab, dass die Generationen wie in einer Großfamilie füreinander da sind und sich verantwortlich fühlen. "Wir sind hier kein betreutes Wohnen, aber auch kein klassisches Seniorenheim, die Atmosphäre hat hier schon privaten Charakter", sagt Heimleiter René Conrad. Aber eines dürfe man auch nicht vergessen: "Es ist für Angehörige nicht leicht, damit fertig zu werden, die Mutter, den Vater oder den an Demenz erkrankten Ehepartner 'abgeliefert' zu haben, weil man die Betreuung zu Hause nicht mehr gewährleisten kann", sagt Conrad.

Laut Bundesfamilienministerium leben in Deutschland derzeit 1,2 Millionen Menschen mit Demenz. Zwei Drittel davon sind von der unheilbaren Alzheimer-Krankheit betroffen. Schätzungen gehen davon aus, dass es bis 2050 rund zwei Millionen Demenzkranke geben wird. Vor allem im Osten wird die Zahl massiv steigen. Die Gründe sind die Abwanderung junger Leute und eine deutlich älter werdende Gesellschaft. Laut Ministerium werden rund zwei Drittel der Erkrankten in Familien versorgt.

Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer warnt zugleich vor einem Pflegenotstand. "Die Situation ist zum Teil schon dramatisch, weil die Einrichtungen keine Fachkräfte mehr finden." Demenzkranke brauchen eine besondere intensive Betreuung. "Wir müssen rasch handeln und haben keine Zeit, jahrelang auf Verbesserungen zu warten", sagte Meurer.

Keine Berührungsängste

"Das ist hier schon was Besonderes, dadurch dass wir so nah beieinander sind, das Haus, die Schule, der Hort, da gibt es keine Berührungsängste", sagt Hortnerin Gabriele Volk. "Die Kinder lernen hier auch, ein Verständnis für das Alter, für Gebrechlichkeit, zu entwickeln und dabei Berührungsängste abzubauen", sagt Ergotherapeuth Andy Kotsch. "Manchmal ist schon ein Lächeln ein Erfolg", berichtet Kotsch von Erfahrungen mit Demenzkranken. "Die meisten Menschen schieben das Thema aber von sich weg, wenn es sie nicht selbst in der Familie betrifft", bedauert der 30-Jährige.

Sachsen-Anhalt setzt unterdessen auf ein Demenz-Zentrum in Magdeburg, das bis 2012 entstehen soll. In der Einrichtung sind 110 ambulante und stationäre Pflegeplätze sowie eine Cafeteria und Beratungsräume geplant. 75 neue Arbeitsplätze sollen entstehen.