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Halle Halle: Sag mir, wo die Krähen sind

Von Anja Herold 06.02.2012, 19:45

Halle (Saale)/MZ. - Raben und Krähen in rauen Mengen - das war das typische Bild im Winter in Halle. Nicht ohne Grund gibt es in der Saalestadt die Rabeninsel, die schon immer beliebter Überwinterungsort für die schwarzen Vögel war. Doch nicht 2012 - die Tiere sind nur hin und wieder zu sehen.

Andreas Reschke, der Betreiber des Bootshauses Nr. 5 am Riveufer, hat beobachtet: "Im vergangenen Jahr waren hier die Bäume schwarz vor Krähen, sobald die Dämmerung begann", erinnert er sich. "Dieses Jahr dagegen sind es viel weniger, ich schätze rund ein Drittel. An manchen Tagen kommen die Vögel gar nicht." Reschke ist ein guter Beobachter. Seine Eindrücke werden von Experten der Vogelschutzwarte Steckby (Anhalt) bestätigt. Die hatten zum Jahreswechsel mitgeteilt, dass aufgrund der bis dahin milden Temperaturen die aus Osteuropa kommenden und meist aus Saatkrähen bestehenden Kolonien nach ihrem Zwischenstopp in Polen gar nicht weitergeflogen seien.

Die neuesten Auswertungen der "Beringungsdaten" haben ergeben, dass sich die bei uns überwinternden Vögel im Sommer in Russland aufhalten. "Sie kommen aus der Gegend um Saratow, ein Gebiet am Ufer der mittleren Wolga", erklärt Biologe Stefan Fischer. Der Mitarbeiter der Vogelschutzwarte Steckby erzählt, dass sich die Tiere in großen Schlafgemeinschaften organisieren. Dohlen und Elstern vergesellschafteten sich dabei mit den Saatkrähen, die den größten Teil der Ansammlung ausmachen. Ihr Bestand wurde im Jahr 2010 auf 3 400 Brutpaare in ganz Sachsen-Anhalt geschätzt; eine der größten Kolonien mit 250 Elternpaaren siedelt in Schafstädt (Saalekreis).

Obwohl die Zahlen seit 15 Jahren relativ stabil sind, glaubt Fischer, dass der Bestand künftig abnehmen wird. Einen exakten Überblick hätte zwar noch niemand. "Die Krähen scheinen aber dazu zu neigen, nicht mehr so weit zu ziehen, vermutlich wegen der allgemeinen Erwärmung", so Fischer. "Die Bestände aus Russland, die in der Region Halle überwintern, nehmen jedenfalls eindeutig ab."

Ob es immer dieselben Tiere seien, die nach Halle und in den Saalekreis kommen, wisse man nicht genau. "Wir nehmen es aber an." Die Schlafplätze jedenfalls würden traditionell besetzt. Da aber die Gesamtzahl der Vögel sinke, würden auch Plätze aufgegeben. In Halle könne man das sehr gut auf der Rabeninsel sehen. Das ehemalige Refugium der schwarzen Vögel werde heute nur noch sporadisch besetzt. Früher fanden die Raben dort ausreichend Nahrung - zudem noch bei optimalen Klimaverhältnissen zur Überwinterung. Bis auf eine Ausnahme: Im harten Winter 1977 / 78 fielen viele Raben erfroren von den Bäumen in Halle. Auch im damals noch unbebauten Südpark konnte man dies beobachten.

Trotz der sinkenden Zahl könnten künftig in Halle aber wieder mehr Raben auftauchen. Da sich deren Lebensbedingungen auf dem Land weiter verschlechtern, ziehen sich laut Fischer die Kolonien in die Städte zurück. In Halle, so Ria Steppan vom Presseamt der Stadt, stellt das bislang aber kein Problem dar - von ab und an ausgeräuberten Papierkörben abgesehen.

Übrigens - wenn die russischen Gesellschaften im Herbst an der Saale landen, sind die hiesigen Kolonien schon nach Frankreich oder Italien geflogen. Kommen sie im Frühjahr zurück, um zu brüten, werden wiederum die Logiergäste verschwunden sein. "Wenn die Krähen abziehen, kann ich die Winterausrüstung wegpacken. Das stimmt immer", sagt Andreas Reschke.