Halle/Saalekreis Halle/Saalekreis: Verzicht ist nicht geplant
petersberg/MZ. - "Wir brauchen einen langen Atem und den haben wir auch", sagt Bernd Hartwich. Seit 2009 spukt dem Chef des Museums auf dem Petersberg die Idee einer neuen ständigen Ausstellung im Kopf herum. Er hat zufällig einen jungen Mann, einen Buchhalter aus Zella-Mehlis, getroffen, der Modelleisenbahnen sammelt und die fast vollständige Kollektion der Firma Josef Kraus & Co. (Fandor) aus Nürnberg von 1911 bis 1937 zusammengetragen hat. Der Sammler habe dem Museum seine Kostbarkeiten als Dauerleihgabe mit der Option einer Schenkung angeboten, so Hartwich.
Von dem Tage an beschäftigte sich der Museologe mit der Umsetzung. "Im Grassi-Museum Leipzig kam ich mit dem Ausstellungsgestalter und Künstler André Böhme ins Gespräch und habe vorgefühlt", erzählt Hartwich. Die Art, wie Böhme Objekte in Szene setzt, sei einfach toll. "Er war in unserem Haus, hat sich den möglichen Ausstellungsraum im neuen Museumsgebäude angeschaut und sofort die ersten Ideen entwickelt. Modern, innovativ und mit neuen Medien." Die neue ständige Ausstellung würde, das hat Hartwich bereits nach den geltenden Kriterien in Sachsen-Anhalt berechnet, bei einer Fläche von 76 Quadratmetern rund 60 000 Euro kosten. "Die haben wir natürlich nicht mal so in der Portokasse", sagt Hartwich, der ein umfassendes Exposé für die Schau erarbeitet hat. Förderanträge wurden gestellt - unter anderem auch an das Land, die Sparkassenstiftung Ostdeutschland und die Saalesparkasse. "Es kam eine Absage nach der anderen", schildert Hartwich. "Wir können als Verein 10 000 Euro beisteuern, das ist ja auch kein Pappenstiel. Trotzdem war bisher niemand bereit, zu helfen. Wir würden sogar einen Kredit aufnehmen, um unseren Eigenanteil zu erhöhen. Trotzdem: keine Chance."
Obwohl die Zeichen nicht gut stehen, habe sich der Förderverein für die Gestaltung der Ausstellung ausgesprochen und beschlossen: Verzicht ist nicht geplant. Der Gestaltungsprozess wird gestreckt und die Schau nicht in diesem Jahr, sondern erst 2014 eröffnet. "Wir können so in Etappen finanzieren", sagt Hartwich. Der Verein habe sich zu dieser neuen Ausstellung bekannt, weil sie ein Stück deutsche Industrie- und Wirtschaftsgeschichte verkörpert, touristisch interessant und in ihrer Vollständigkeit einmalig sei. Hartwich setzt seine Recherchen zur Geschichte der Firma Kraus fort und meint: "Die Produkte fanden weltweite Verbreitung. Die Firma besaß zahlreiche Patente." Der jüdische Inhaber Joseph Kraus emigrierte in die USA. 1943 wurde Kraus (Fandor) unter Zwangsverwaltung gestellt. Man berief sich auf die Nürnberger Gesetze, nach denen Juden sowohl die deutsche Staatsbürgerschaft als auch ihr Vermögen entzogen werden konnte, so Hartwich.
In Archiven in Nürnberg und der Deutschen Bibliothek hofft er weitere Spuren zu finden. Die letzte Eintragung im Firmenregister zeigt 1963 das Erlöschen der Firma Fandor an. "Die Ausstellung soll auch eine historische Einordnung erfahren und geht weit über eine Modelleisenbahnausstellung hinaus", sagt der Museumschef.
Jetzt werden die Verträge mit dem Dauer-Leihgaber und dem künstlerischen Gestalter vorbereitet, damit die ersten Arbeiten beginnen können. Parallel dazu werden Faltblätter und ein Katalog entstehen, um die Schau überregional bekannt machen und bewerben zu können. Erste Schaustücke sind bereits im Museum angekommen.