Halle/Saalekreis Halle/Saalekreis: Mathe ist leichter als Tischdecken
Halle (Saale)/MZ. - An seine Grundschulzeit erinnert sich der zwölfjährige Schüler Luca Nendel vom Burg-Gymnasium Wettin nur ungern. Damals, als er noch keine sichere Diagnose erhalten hatte, fühlte sich Luca im Unterricht oft unterfordert und wurde wegen seiner unansehnlichen Schrift immer wieder kritisiert. Dass der schüchterne Junge das Asperger-Syndrom hat, wurde erst festgestellt, als er schon am Burg-Gymnasium im ersten Halbjahr Schüler war. "Mit der Diagnose hatte man endlich Worte, die ihn erklärten. Man traf Menschen, die sein Verhalten sofort verstehen konnten", sagt Ulrike Nendel, die stolz auf ihren Sohn ist.
Seit der Feststellung hilft dem Siebentklässler die Sonderpädagogin Andrea Papendick. "Die Zusammenarbeit läuft sehr gut", sagt die Pädagogin zufrieden. "Von den Schülern können ja selbst die Lehrer noch lernen." Außerdem werde das Verständnis und Sozialverhalten bei den Schülern gefördert. Dass die Integration des autistischen Schülers am Burg-Gymnasium Wettin gut gelungen ist, zeigt nun auch das zweite Kind mit dem Asperger-Syndrom an der Schule, das ebenfalls von Papendick betreut wird. "Das Lehrerteam ist sehr interessiert daran, dass Luca im Unterricht mitkommt", sagt Ulrike Nendel.
Ihre Familie hat sich dafür entschieden, mit dem Autismus ihres Sohnes offen umzugehen: Die Mitschüler wissen davon und hänseln ihn nicht - selbst wenn es für ihn hin und wieder kleine Sonderreglungen gibt. So nimmt ihn Andrea Papendick auch an manchen Tagen aus dem Unterricht und lässt Luca eine Klassenarbeit in einem leeren Raum schreiben: "Luca braucht mehr Ruhe und klarere Aufgabenstellungen als die anderen Schüler." Sonst sei er aber ein guter Schüler. "Vor allem Mathematik und Physik machen ihm Spaß", sagt seine Mutter und erklärt, dass ihr Sohn gut im logischen Denken und Erfassen von Sachverhalten ist. "Wenn es in Ethik um faktisches Wissen geht, kann ihm auch dieses Fach Spaß machen."
Die soziale Komponente bereite dem Hochbegabten mit einem Intelligenzquotient (IQ) von 130 noch Schwierigkeiten, meint Papendick. Der durchschnittliche IQ beträgt 100. Doch auch darin erkenne sie dank der Autismus-Ambulanz Erfolge. In dieser Einrichtung in Halle lernt Luca das soziale Handeln. Denn es ist für Menschen mit Asperger-Syndrom nicht selbstverständlich, Fremden bei der Begrüßung die Hand zu geben, oder sich dafür zu interessieren, wie es seinen Mitmenschen geht.
Auch alltägliche Situationen können zur Herausforderung werden: Das Tischdecken muss noch geübt und Autofahrten oder andere Ausflüge müssen sehr gut besprochen werden. "Unsere Woche Urlaub im Jahr ist für Luca eine Qual", sagt Ulrike Nendel. Denn obwohl es jedes Jahr in die gleiche Ferienwohnung an die Ostsee geht, ist es für den Jungen immer wieder eine ungewohnte Umgebung. Selbst in den Garten geht er nur sehr ungern. Viel lieber spielt er Strategiespiele am Computer. "Erst werden aber die Hausarbeiten erledigt", sagt seine Mutter lächelnd.