Halle Halle: Romantische Aussichten fast wie in Mecklenburg
SALZMÜNDE/MZ. - Und hier kommt ihr Tafelspitz mit Klößen, dazu die große Limonade - das Tablett schwankt ein wenig, und Reinhard Huhn muss mächtig aufpassen, wenn er die Stufen zum Steg entert. Denn der 52-Jährige tischt auf Wunsch dort auf, wo sonst nirgendwo im Saalekreis serviert wird: direkt an der Saale im Schatten einer riesigen Eiche. Wer seine Kräfte an Paddel, Ruder, Segel oder Steuer lässt, legt gerne an, rastet und stärkt sich ausgiebig.
Sportler am Zapfhahn
Auf Experimente lässt sich der Wirt dabei nicht ein. Auf gutbürgerliche Küche setzt das Gasthaus "Saaleblick", wo der ehemalige Basketspieler aus Halle seit fünf Jahren den Zapfhahn bedient. Und seine Devise entspricht offenbar den Erwartungen. Selbst Leute, die von weither kommen, geraten in Salzmünde über die Gastfreundschaft und noch mehr über die Landschaft ins Schwärmen.
Sparsame Schweizer in einem Boot der Marke Eigenbau, die mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall den Fluss hinter dem Eisernen Vorhang erkunden wollen, nehmen die guten Dienste des Saaleblicks in Anspruch. Und selbst die anspruchsvolle Kapitänsfamilie von der Insel Sylt, die mit einem hochseetauglichen Schiff die Wellen schneidet, legt nach einem Zwischenstopp zufrieden wieder ab.
Die meisten Gäste kommen natürlich aus der näheren Umgebung. Ihre Zufriedenheit fällt meist wenig wortreich aus, Huhn kann es - außer am Trinkgeld - nur daran messen, dass inzwischen viele immer einfach wieder kommen. Abstand halten höchstens einige Angler mit Selbstverpflegung, die vorzugsweise am gegenüber liegenden Ufer sitzen und die Fische aus der hier vergleichsweise starken Strömung herausholen. Von Zeit zu Zeit hängen Fische am Haken, die nicht in die übliche Vorstellung passen. Ein Wels mit einer Gesamtlänge von 1,20 Meter gehört auf alle Fälle dazu.
"Die Saale hat in diesem Abschnitt ziemlich viel Kraft", sagt der Zwei-Meter-Mann und frühere Leistungssportler. Niemand sollte die Saale unterschätzen. Reinhard Huhn spricht diesen Satz zwar gelassen aus, aber dahinter steckt Erfahrung.
Sandsäcke liegen bereit
Im Frühjahr und Herbst ist es besser, wenn die Sandsäcke schon bereit liegen. Als Schreckensjahr ist 2002 in die Chronik eingegangen. Der Wirt kennt es nur aus Erzählungen und ist ziemlich froh darüber: "Die Flut wälzte sich damals durch Gastraum und Küche."
Die Gemeinde als Eigentümerin ist danach an die Grenze ihrer Möglichkeiten gegangen, um alles wieder in Ordnung und auf den neuesten Stand zu bringen. Wichtig für Veranstaltungen vom Senioren-Fasching über die Frauentags-Feier bis zur Diamant-Hochzeit ist der Saal, der 120 Besucher aufnehmen kann. Zufrieden will Huhn aber erst sein, wenn der "Saaleblick" auch offizielle Station des "Blauen Bandes" ist. Ab 2011 soll das Schild das Gasthaus schmücken. Es ist das Landes-Markenzeichen für den Tourismus an der Saale.
Für den "Saaleblick"-Wirt ist es ein Job mitten in einem Urlaubsgebiet. Die Anfahrt führt vorbei an Pferdekoppeln und durch einen gepflegten Park. Das Saale-Ufer ist von mächtigen Bäumen gesäumt. Vom Fluss her weht eine angenehme Brise. "Wenn ich aus dem Küchenfenster schaue, fühle ich mich wie in Mecklenburg." Dann sehnt sich der ehemalige Stadt-Bewohner nicht einmal mehr zurück ins Kurt-Wabbel-Stadion, wo sich der HFC-Fan über Jahre um die gastronomische Versorgung der Besucher gekümmert hat. Und auch die Zeit, da Huhn in einem Spezialbetrieb am halleschen Heckenweg Herzschrittmacher zusammensetzte, ist ferne Vergangenheit. Draußen legt gerade ein Kahn mit fröhlichen Leuten an, die Hunger und Durst haben. "Das ist meine Zukunft", meint Huhn und eilt an den Steg...