Halle Halle: Ofen mit Weltruhm
Halle (Saale)/MZ. - So offenbaren sich dem Besucher beim Abstieg in die Katakomben der Unterburg Giebichenstein nicht nur architektonische und künstlerische Kostbarkeiten, sondern auch eine Rarität, die das Herz von Keramikern höher schlagen lässt: Ein Rundbrennofen dämmert im Ostflügel der Burg im Dornröschenschlaf.
Über und über mit Spinnweben und Staub bedeckt, lässt der Ofen heute kaum noch ahnen, welche Bedeutung ihm einst zukam. "In ihm wurde in den 20er Jahren Porzellan gebrannt, das später Weltruhm erlangen sollte", erklärt Marlis Lischka, künstlerische Leiterin der Keramikwerkstatt der Hochschule Burg Giebichenstein, und streicht etwas wehmütig über die gebrannten Ziegel des 1984 stillgelegten Ofens. Noch Anfang der 70er Jahre habe sie als Burgstudentin, ebenso wie die Keramikerinnen Antje Scharfe oder später Renee Reichenbach, eigene entworfene Keramik in dem Ofen gebrannt.
Berühmt ist der mit Steinkohle befeuerte Brennofen, der Temperaturen bis zu 1 400 Grad Celsius erzeugen kann, durch eine weltbekannte Keramikerin. Marguerite Friedlaender, 1896 in Lyon geborene deutsch-englische Porzellangestalterin und Bauhausschülerin, lehrte von 1925 bis 1933 an der Burg. 1927 erregte ein von ihr entworfenes Porzellangeschirr auf einer Ausstellung in München die Aufmerksamkeit der Deutschen Keramischen Gesellschaft, vertreten durch Günther von Pechmann. Mit dem Wechsel Pechmanns an die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) begann eine intensive Zusammenarbeit der halleschen Keramikerin mit der Manufaktur. "1929 wurde dann extra für Marguerite Friedlaender jener Ofen an der Burg als Versuchsofen für ihre Entwürfe gebaut", so Marlis Lischka. Im gleichen Jahr schuf die Künstlerin das so genannte "Hallesche Service", für das unzählige Versuchsstücke in dem Rundbrennofen gebrannt wurden. 1930 feierte dieses Mocca-Service auf der Leipziger Messe große Erfolge. Auch für das Restaurant des Schkeuditzer Flughafens hatte Marguerite Friedlaender, die als Jüdin 1933 Deutschland verlassen musste, Geschirr entworfen.
Das schlichte weiße Porzellan in der "Halleschen Form" in zeitlosem Design wird auch heute noch in der Berliner Manufaktur produziert. "Die von Friedlaender entworfene berühmte Vase und auch ihr Service ohne Schnörkel und Dekor gehören nach wie vor zu unserem Angebot", so Peter Kempe von der Königlichen Porzellan-Manufaktur.
Fast vergessen indes ist der Brennofen, der 1983 einen "pflegeleichteren" Holzfeuerofen als Nachfolger fand. "Es gab nach der Wende Bestrebungen, ihn wieder zu aktivieren", so Marlis Lischka. Obwohl die Brennergebnisse dank der Hitze und der Thermik im Ofen hervorragend gewesen seien, wäre aber ein Betreiben zu aufwendig.