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Halle-Neustadt Halle-Neustadt: Leben im Block während der DDR

Von Felix Knothe 26.05.2014, 19:06
Birgit und Lutz Ziegler halten die Goldene Hausnummer noch einmal an. Sie hing zu DDR-Zeiten über ihrem Hauseingang - als Auszeichnung.
Birgit und Lutz Ziegler halten die Goldene Hausnummer noch einmal an. Sie hing zu DDR-Zeiten über ihrem Hauseingang - als Auszeichnung. Th. Meinicke Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Natürlich ist es ein Relikt aus längst vergangener Zeit. Niemand würde heute Familien, die in einem Mietshaus zufällig zusammenwohnen, eine Auszeichnung dafür verleihen, dass sie so gut zusammenwohnen. Doch es waren andere Zeiten im Halle-Neustadt der DDR. Die Hausgemeinschaft sollte in der Stadt ohne Geschichte und gewachsene soziale Struktur die gesellschaftliche Zelle sein, aus der sich beides heraus - sozialistisch - entwickelt. Also bekam sie besondere Aufmerksamkeit. Birgit und Lutz Ziegler haben die Goldene Hausnummer, die ihr Hauseingang damals, irgendwann in den 1980ern, verliehen bekommen hat, in Ehren gehalten. Nicht als Heiligtum oder aus ostalgischer Sentimentalität, sondern als Erinnerung an eine schöne Zeit mit ihren Nachbarn in Block 454, Haus 4, heute Paul-Klee-Weg 4.

Goldene Hausnummer

Verliehen hat die Goldenen Hausnummern die Nationale Front, der Zwangsverband der Blockparteien und Massenorganisationen. Es gehörte zum zwiespältigen Wesen der DDR, das Kollektiv hochzuhalten, ob in Schule, Betrieb oder eben im privaten Leben. So wurde auch die Hausgemeinschaft staatlich geadelt. Vor Ort habe die Hausbewohner große Politik freilich selten interessiert. „Wir haben Gymnastikkurse organisiert, Hochzeiten und Weihnachten gefeiert, am Sandkasten vor dem Haus gegrillt - eigentlich haben wir alles zusammen gemacht“, erinnern sich Zieglers. Es ist das herzliche Verhältnis untereinander, das ihnen noch heute in guter Erinnerung ist. „Heute ist jeder mehr auf sich bedacht“, so Birgit Ziegler.

In größeren Hochhäusern gab es für die Hausgemeinschaft sogar feste Strukturen. Dietrich Müller zog 1975 mit seiner Familie in den ersten Y-Block, Block 150, heute Ernst-Abbe-Straße. Die Selbstverwaltungshierarchie reichte von Hausvertrauensleuten über Abschnittsleiter, die mehrere Eingänge unter sich hatten, bis hin zu Blockratsvorsitzenden. Müller war der Vorsitzende seines Blocks, obwohl er in keiner Blockpartei war. „Das wurde beim Einzug einfach festgelegt.“

Hausgemeinschaft hatte ein eigenes Budget

Müller beschreibt seine Aufgabe als Bindeglied zwischen der Wohnungsgenossenschaft und den Mietern. „Wir haben einen Spielplatz vor dem Haus gebaut, im Keller eine Gemeinschaftswerkstatt eingerichtet und später eine Stuhlausleihe organisiert.“ 92 Wohnungen gab es im Block. „Da wohnte jeder, vom Bezirksvorsitzenden der Lehrergewerkschaft bis zum normalen Anlagenfahrer.“ Und die Hausgemeinschaft hatte ein eigenes Budget. „Wir haben die Anlagen um unser Haus in Schuss gehalten und dafür Geld vom VEB Grünanlagen bekommen.“

Vor der Währungsreform 1990 löste der Blockrat sein Konto auf. Müller: „Das waren 7 000 Mark, davon bekam jede Mietpartei im Durchschnitt 110 Mark ausgezahlt. Die, die ständig ihre Pflichtstunden oder die Hausordnung nicht gemacht hatten, bekamen jedoch nichts.“ Auch darüber behielt die Hausgemeinschaft nämlich penibel den Überblick.