1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Halle: Halle: «Krankhafte Angst vor Sabotage»

Halle Halle: «Krankhafte Angst vor Sabotage»

Von Peter Godazgar 18.03.2012, 18:25

Halle (Saale)/MZ. - Die DDR-Staatssicherheit war immer ganz besonders aufgeregt, wenn irgendwo irgendwas aus den Fugen geriet. Das zeigt eine Ausstellung, die derzeit in der halleschen Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde zu sehen ist. Sie dokumentiert, mit welcher Akribie sich die Geheimdienstler um Brände, Unfälle oder andere Katastrophen kümmerten.

Flugzeugabsturz und Kirchenbrand

Zumindest bei älteren Hallensern dürfte da so manche Erinnerung wach werden. Beispielsweise an den Flugzeugabsturz in Neustadt: Am frühen Nachmittag des 9. August 1976 krachte ein Schulflugzeug auf eine Rasenfläche zwischen den Wohnblöcken. Ein 18-jähriger Flugschüler hatte unerlaubt die Hochhausscheibe D umkreist und die Kontrolle über seine Maschine verloren.

Oder das Feuer in der Laurentiuskirche: Das Gotteshaus brannte in den Morgenstunden des 16. Novembers 1984 bis auf die Grundmauern nieder. Tatsächlich war es am Ende nicht die Polizei, sondern die Stasi, die den Täter ermittelte. Sie eröffnete den "operativen Vorgang Flamme" und überführte einen selbstständigen Orgelbauer. Der hatte das Feuer gelegt, um einen Diebstahl zu vertuschen.

Die Hartnäckigkeit, mit der ermittelt wurde, war natürlich auch ein Ausdruck von Angst: Vor allem bei Unglücken in Produktionsstätten witterte die Stasi reflexartig böse Einflussnahme aus dem Westen - etwa beim Brand im Ammendorfer Waggonbauwerk 1986 oder beim Ausfall einer Kälteanlage im halleschen Schlachthof 1987.

Recherche nach der Wende

Marcus Michel spricht sogar von einer "krankhaften Angst der Stasi vor Sabotage". Michel, Jahrgang 1977, wurde in Köthen geboren und wohnt inzwischen in Düsseldorf. Als Kind hat er den Großbrand im damals DDR-weit größten kunststoffverarbeitenden Betrieb in Weißandt-Gölzau aus nächster Nähe miterlebt.

Das Ereignis hat ihn nicht losgelassen; die Erklärungen, die man damals bekam, haben ihn nie überzeugt. Nach der Wende begann er zu recherchieren - und stellte fest: Der Brand konnte nur ausbrechen, weil es groteske Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften gab.

Dennoch brauchte die Stasi einen Schuldigen - einen einzigen. Man fand ihn in der Person des Werkleiters. Der wurde am Ende zu zwei Jahren Haft verurteilt: wegen Brandstiftung (!) und fahrlässigen Umgangs mit den Brandschutzvorschriften. Die Belegschaft selbst sah die Ursache im Gesamtzustand. "Hier ist alles möglich", gab einer zu Protokoll. Die Stasi-Legende indes, weiß Marcus Michel, wird von einigen heute noch geglaubt.

Die Schau ist bis zum 28. September in der Blücherstraße 2 zu sehen. Öffungszeiten: montags bis donnerstags von 8 bis 17 Uhr, dienstags bis 18 Uhr, freitags nur bis 14 Uhr. Der Eintritt ist frei.