Halle Halle: Händels Werk und Zöllners Beitrag

SCHKOPAU/HALLE/MZ. - So aufgeregt war Jens Wehmann schon lange nicht mehr. Denn als er am Freitag einen Packen äußerst seltener Händel-Partituren beim Zollamt in Schkopau abholte, umringte ihn ein Dutzend Journalisten. Was da in der A3-großen Sendung auf den Bibliothekar des Händelhauses wartete, waren absolute Raritäten.
Vor vier Tagen flatterte dem halleschen Musikmuseum Post vom Zoll ins Haus: Ein Paket aus Übersee sei eingegangen und müsse binnen einer Woche verzollt und abgeholt werden. Darauf hatte der 35-jährige Bibliothekar nur gewartet. Schließlich hatte er die drei Erstdrucke und die Briefwechsel eines Händel-Forschers bei einem US-amerikanischen Antiquitätenhandel entdeckt und für einen "mittleren vierstelligen Betrag" - so seine Worte - im Auftrag des Händelhauses erworben.
Mit einem Metallkoffer, in dem weiße Stoffhandschuhe, ein Geldkuvert mit den fälligen Steuern und die Benachrichtigung des Zolls verstaut waren, betrat Wehmann die für Halle und den Saalekreis zuständige Zollbehörde.
Das Päckchen, das ihm der stellvertretende Behördenleiter Alexander Graviat übergab, war gut geschnürt: Der Bibliothekar rückte mit einem Cutter an, ruckelte und zog am Paketklebeband und arbeitete sich durch mehrfach gelegte Luftpolster. Er durchtrennte den Klebestreifen des Packpapiers. Dann waren die Fotografen schneller als er: Neben ihm klickten die Kameras bereits, während er sich noch die Wollhandschuhe anzog. Behutsam schlug er den ersten Band auf - und dann das: Gelbliche Seiten voller Notenlinien und Tonvorgaben. Über den Gesangsparts las er Namen in verschnörkelter Schrift. Der Fachmann aus Halle kannte das Phänomen: Händel habe die Stücke den Sängern in London auf den Leib geschrieben. Wehrmann lächelte und hielt die wichtigste Neuerwerbung den Kameras entgegen: den Erstdruck der Oper "Aetius". Der Händel-Kenner hatte in Bibliotheken und Archiven des Landes nach diesem Druck gesucht, doch nirgendwo war er fündig geworden.
Das machte die Sendung besonders wertvoll: Denn in Halle liegt nun der einzige erhaltene Erstdruck dieser Oper in Deutschland. Das Westpaket aus New York barg aber noch weitere Schätze: die Oratorien "Alexander Balus" und "The Choice of Hercules". Das erste von beiden war bislang nur einmal, das zweite noch gar nicht in deutschen Archiven zu finden.
"Es ist schon etwas Besonderes, so eine Erstveröffentlichung in der Hand zu halten", sagte Wehmann erfreut. Auch der Zollbeamte auf der anderen Seite der Theke spürte das Außergewöhnliche dieser "Ware" - wie alle Sendungen behördensprachlich heißen, seien es Armbanduhren oder Antiquitäten.
Untypischerweise durchforstete der Merseburger Zollbeamte die Sendung dieses Mal nicht eigenhändig: "Wenn Herr Wehmann beim Blättern schon Handschuhe anhat, greifen wir da nicht mit unseren Fingern rein."
In Halle kommen die Drucke der frühen Händelwerke nun erst einmal in den Tresor. Ab Montag wird Bibliothekar Wehmann die Bände wieder mit Wollhandschuhen anfassen, sie aufnehmen, katalogisieren und in die Datenbank einfügen. Künftig sollen sie in Ausstellungen zum Blickfang werden.