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Halle Halle: «Es ist Zeit zu gehen»

19.10.2011, 18:56

Halle (Saale)/MZ. - Walter Schumann, der langjährige Polizeipräsident in Halle und seit 2007 der neu gebildeten Direktion Sachsen-Anhalt Süd, wird am Donnerstag in den Ruhestand verabschiedet. Nach 40 aufregenden und bewegten Jahren im öffentlichen Dienst fast ohne Krankheitstage steht nun der Schritt in die Rente bevor. Was bewegt einen Mann, der täglich mit allen Facetten der Kriminalität konfrontiert worden ist? Wohin geht die Reise bei der Polizei? Darüber sprach MZ-Mitarbeiter Jan Möbius mit dem scheidenden Präsidenten.

Es wird bald sehr viel ruhiger in Ihrem Leben. Wie sah denn Ihr Arbeitsalltag in den vergangenen Jahren aus?

Schumann: Ich gebe zu, dass ich in den letzten anderthalb Jahren ruhiger geworden bin. Früher war ich morgens um 7 Uhr da und bin, wenn es möglich war, abends um 17 Uhr gegangen. Da kamen zudem noch zahllose Veranstaltungen hinzu. Die hatten aber viel damit zu tun, sich einfach nur sehen zu lassen.

Wie beim im Jahr 2009 von dem Künstler Burghard Aust gespielten Besuch der britischen Queen?

Schumann: Da war ich gern dabei. Das Innenministerium war damals so überrascht, dass niemand gefragt hat, was die Polizei da zu suchen hatte. Die Resonanz aber hat durchaus unseren Einsatz gerechtfertigt und die Polizei in ein völlig neues Licht gerückt.

In Ihrer Amtszeit als Polizeichef gab es jede Menge Veränderungen ...

Schumann: Ich habe das mal für mich aufgeschrieben. Es ist schon erstaunlich. In meiner Dienstzeit habe ich fünf Ministerpräsidenten erlebt, sechs Minister und sieben Staatssekretäre. Das ist aber alles nur die Politik. Viel interessanter ist eine andere Zahl. Ich hatte 17 Polizeipräsidenten im Land als Kollegen. Immerhin gab es früher mal sechs Direktionen. Die Wechsel hatten mit persönlichen aber auch dienstlichen Veränderungen zu tun. Ich bin von Halle nach Merseburg, von dort nach Halle gegangen und hier als Chef geblieben. Mit dieser Stetigkeit ist man irgendwann schon ein Stückchen fossiles Relikt.

Wollten Sie nie weg, etwa nach Magdeburg?

Schumann: Mein Ehrgeiz ging nie in den Norden. Mir liegen die Menschen im Süden mehr. Ich stamme ja auch aus der Gegend. Ich mag die Charaktere hier.

Ist die Polizeistrukturreform im Land abgeschlossen?

Schumann: Nein. Es muss weiter Veränderungen geben. Das bringt schon die angestrebte Personalreduzierung bei der Polizei mit sich. Es reicht aus meiner Sicht nicht, dass man über Polizeistationen in der momentanen Struktur nachdenkt. Man muss auch eine Etage höher gehen und einzelne Revierkommissariate in die Überlegungen einbeziehen. Das muss nicht bedeuten, dass Stationen gänzlich eingestampft werden. Vielleicht muss man im Einzelfall über Besetzungen rund um die Uhr nachdenken. Man kann aber auf keinen Fall mit weniger Personal den gleichen Service aufrechterhalten.

Ist die Polizei zu alt?

Schumann: Nicht unbedingt. Aber in Einzelfällen bekommen wir das schon zu spüren. Zum Beispiel bei Demonstrationen. Das Land ist aber durch die zahlreichen Einstellungen bis 2020 auf einem guten Weg. Ich denke, da hat man ganz oben inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt.

Also ist es auch Zeit für einen Generationswechsel in der Führung?

Schumann: Ich denke ja. Das soll nicht heißen, dass man auf die Erfahrungen der älteren Kollegen verzichten kann. Das bedeutet aber auch, dass man den Führungsnachwuchs mehr fördern muss und mehr in die Verantwortung nimmt. Ich setze auf die jungen Leute. In der Direktion Süd läuft bereits ein Verjüngungsprozess. Ich empfinde es für mich so, dass es die richtige Zeit ist, zu gehen und Platz zu machen. Und das ganz ohne Bedauern. Die jungen Kollegen haben eben eine zeitgemäßere Betrachtungsweise.

Wie viel Polizei kann sich das Land überhaupt noch leisten?

Schumann:Dieses Land kann sich nur die Polizei leisten, die es bezahlen kann und die gleichzeitig ein Maximum an Sicherheit und Ordnung gewährleistet.

Welchen Stellenwert nimmt die Großstadt Halle gegenüber den ländlichen Gebieten für die Polizei ein?

Schumann: Mehr als 40 Prozent der Straftaten spielen sich in Halle ab. Die Stadt verändert sich ständig, das Land eher nicht. Das muss beim Personalansatz berücksichtigt werden. In der Fläche könnten wir in Zukunft Schwierigkeiten bekommen, innerhalb der geforderten Zeiten auch vor Ort zu sein. Uns fehlt einfach das Personal. Ob das auf Dauer so zu schaffen ist? Da sehe ich erhebliche Probleme.

Mit Blick etwa auf die Drogenkriminalität ist Halle aber längst nicht mehr der Schwerpunkt im Land?

Schumann: Drogen und alles was damit zusammenhängt spielen hier keine große Rolle mehr. Das ist nicht mehr die Stadt, die sie mal vor 15 oder 20 Jahren war - im positiven Sinne. Inzwischen sind die Rohheitsdelikte eher zum Problem geworden.

Also solche Auseinandersetzungen wie die Massenschlägerei am Friedemann-Bach-Platz oder die Messerstecherei am Hauptbahnhof?

Schumann: Ja. Genau diese Entwicklungen bereiten mir Sorgen. Es gibt augenscheinlich oft keine Grenzen mehr. Uns fällt das Übermaß Gewalteinsatz auf. Die Täter hören nicht einmal dann auf, wenn jemand am Boden liegt. Das ist aber auch ein hausgemachtes Problem. Es mangelt oft an Erziehung und an Respekt. Das gilt übrigens auch für Angriffe auf Beamte. Sie glauben nicht, was sich auf der Straße jeden Tag abspielt.

Und wie sieht es mit der Rockerszene aus?

Schumann: An denen sind wir natürlich dran. Aber diese Truppen stellen zurzeit eher keinen Schwerpunkt dar.

Was kommt nach der Pensionierung?

Schumann: Das wird ein ganz neuer Lebensabschnitt. Ich glaube, dass ich eine ganze Menge zu tun haben werde. Mein Leben war immer ein Stück fremdbestimmt. Der Terminkalender und das Vorzimmer haben meinen Tagesablauf bestimmt. Damit dürfte es nun vorbei sein. Vor allem freue ich mich auf meine Enkel. Ich denke, dass ich vom Tag des Ruhestands an nicht viel Zeit haben werde. Es ist einiges liegen geblieben. Und das Hobby wird künftig auch wieder gepflegt. Meine Modellbahnplatten sind seit 26 Jahren eingemottet.