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Halle Halle: Aus gelber Box wird blaues Bücherregal

Von HEIDI POHLE UND THOMAS RAUSCH 05.12.2010, 17:56

Halle (Saale)/MZ. - Sie sieht schon ganz schön ramponiert aus, die alte Telefonzelle, obwohl Jan Möllhoff sie vor ihrer wohl letzten großen Reise noch einmal tüchtig aufpoliert hat. Doch Schönheit ist in diesem Falle nicht alles. Die gelbe Box aus Halle an der Saale, in der zig tausende Gespräche geführt worden sind, hat ihren Platz künftig in Rösrath. Das ist eine kleine Stadt in der Nähe von Köln, in der es künftig einen öffentlichen Bücherschrank geben soll. Offene Bücherschränke stehen bereits in mehreren Städten im Rheinland auf Straßen und Plätzen. Sie sind rund um die Uhr zugänglich, jeder kann Romane, Krimis, Biographien, Reisebeschreibungen und ähnliches mehr hineinstellen oder aber herausnehmen. Meist wurden dafür richtige Schränke und Regale verwendet. In Rösrath aber soll eine Telefonzelle, eben jene aus Halle, zum Bücherschrank umfunktioniert werden. Für genau 302,99 Euro hat die Stadt sie im Internet ersteigert.

Wie Jan Möllhoff erzählt, habe er das gute Stück zwar bei eBay eingestellt, doch der Besitzer des etwa 30 Jahre alten Telefon-Häuschens sei er nicht. "Es gehört dem Vater meiner Freundin." Der habe sie vor Jahren mal von jemandem geschenkt bekommen, wollte sie am Eingangstor seines Grundstücks aufstellen. Da das aber nie etwas geworden ist, sollte die Kabine nun verschrottet werden, erzählt der 30-Jährige, dem es Leid getan hätte, sie auf den Müll zu werfen. Zudem sei das Gehäuse zum größten Teil aus Plaste und damit ziemlich wertlos.

Also ab ins Internet mit dem gelben Fernsprecher. Insgesamt zwölf Leute hätten sich für das Angebot interessiert. "Die meisten haben sich aber von den Transportkosten für die rund 250 Kilo schwere Telefonzelle abschrecken lassen", vermutet der junge Mann, den die Farbe Gelb offenbar nicht loslässt - er arbeitet bei den "Gelben Engeln" der ADAC-Pannenhilfe als Fahrer eines Abschleppwagens.

Den Zuschlag erhielt schließlich die Stadt Rösrath, so Jan Möllhoff, der das Geld behalten darf: "Meine Freundin und ich werden es im Urlaub ausgeben." Vielleicht kommt ja noch etwas hinzu - es gibt nämlich noch eine zweite Telefonzelle etwas jüngeren Datums. Sie wird dieser Tage ebenfalls im Internet angeboten.

Telefonzelle Nummer 1 ist mittlerweile im Rheinland eingetroffen. "Ich bin total begeistert", sagt Eva Richter vom städtischen Kulturamt Rösrath. Sie hat unzählige Telefonate geführt, bis sämtliche praktische Fragen geklärt waren. Das fing beim Transport an und endete mit dem Umrüsten von der Telefon- zur Literaturzelle.

Von Halle aus ließ sie das gelbe Häuschen zunächst in eine Kraftfahrzeug-Werkstatt transportieren, um es blau lackieren zu lassen. Blau ist die Farbe des Lions Clubs Rösrath, der die Literaturzelle sponsert.

Viele Gedanken gemacht hat sich auch Robert Scheuermeyer, der für die CDU im Rösrather Kulturausschuss sitzt. Dort kam die Idee auf, eine Telefonzelle als Bücherschrank zu nutzen: Das ist weit kostengünstiger als die anderswo üblichen witterungsbeständigen Bücherschränke, die zwischen 6 000 und 8 000 Euro kosten. Anschließend recherchierte Scheuermeyer im Internet und ersteigerte für die Stadt Rösrath die gelbe Box aus Halle.

"Das ist abschraubbar", sagt er und zeigt auf die noch vorhandene Telefonbuch-Halterung. Er weiß auch, wie er mit Installationen an der Rückwand der Zelle umgehen will: Sie werden mit einer Platte abgedeckt.

Ein Bücherregal für die Literaturzelle muss die Stadt Rösrath daher nach Maß anfertigen lassen. Verschwinden werden am Ende wohl auch Überreste wie der Hinweis auf den letzten "Dienstort" der Telefonzelle: "Lindenstraße, Postamt" in Bitterfeld.

Robert Scheuermeyer freut sich, dass das ausgediente Häuschen nicht verschrottet wird, sondern eine neue Bestimmung gefunden hat. Und Eva Richter sieht darin ein interessantes Symbol: "Eine Telefonzelle ist ein Zeichen für Kommunikation."